688 Schlußberathung.
gestrichen oder das Versassungswerk bleibt abermals liegen, — so werde ich
mich für die Streichung der Diäten erklären. Ich denke von dem Verfas-
sungswerke anders als viele meiner Collegen anf der anderen Seite des
Hauses (linke). Es mögen große Mängel in demselben sein. Es ist ein nicht
logisches aber doch zusammenhängendes, zwar verbesserungsbedürftiges aber auch
verbesserungsfähiges Werk. Ich habe die Ueberzeugung, die ganze Lage Deutsch-
lands ist so günstig, daß aus diesem Verfassungswerke nicht blos für die
Machtentwickelung der Deutschen Staaten sondern auch für die innere natio-
nale Entwickelung der Deutschen Nation viele und große Vortheile hervor-
gehen werden. Ich hoffe, daß dasselbe zu Entwickelungen des Deutschen Ver-
fassungslebens in großem Zuge führen wird, und da lassen Sie uns doch
ans Werk gehen und lassen Sie an einzelnen Punkten, die ja jetzt nicht ein
fUr alle Mal für die Zukunft abgeschlossen werden sollen, sondern auf die
man in jeder Session wieder zurlickkommen kanu, nicht das ganze Versassungs=
werk scheitern. (Bravol rechts.)
Ernmbrecht.“") Meine Herreu! Bon demselben Standpunkte aus,
von dem der Herr Vorreduer gesprochen, könnte ich mich entschließen,
sowohl gegen den früheren Beschluß, d. h. den jetzigen Artikel 32,
als gegen die Regierungsvorlage zu stimmen. Ich würde damit Rech-
nung tragen den Verhältnisseu. Wir würden dann, — weil die Frage so bleibt,
wie sie auch der Herr Vorredner lassen will, nämlich intact, — für die Zu-
kunft sreie Hand behalten. Die Frage könnte dann frilher oder später wieder
ausgenommen und durch die Gesetzgebung des Bundes, resp. der Eiuzelstaaten
je nach Bedürsaiß entschieden werden. Wenn wir aber hier in die Ver-
fassung das Verbot der Annahme der Diäten und namentlich in der Fassung,
wie sie der Entwurs enthält, annehmen, so geben wir etwas auf, was ich
nach meiner Ersahrung für durchaus nothwendig halte. Daß die Zahlung
von Diäten — für die ich persönlich keine Neigung habe, ja die ich gern
ausgäbe — sehr wesentlich ist, das zeigt uns der Widerstand der Regie,
rung dagegen. (Sehr wahr!) Meine Herren! Man kann auch von den
Gegnern lernen. Wenn ich nun auch nach reiflicher Erwägung
zu der Ueberzeugung gekommen bin, daß die Diäten eine Lebens-
frage für unser politisches Deutsches Leben sind, so kann mich das doch
nicht bestimmen, meine Herren, dieser subjectiven Meinung unbe-
dingt zu solgen. Ich will die Verfassung daran nicht scheitern
lasseu. Das will ich nicht, meine Herren. Ich kann mich aber auch nicht
entschließen, in die Verfassung eine Bestimmung auszunehmen, welche ich
für verderblich halte, und deshalb werde ich heute — auf Gründe lasse ich
mich hier nicht weiter ein, ich will nur sagen, daß die Frage für mich keine
Geldfrage, wie der Herr Minister des Innern meint, sondern eine Frage
) Si. Ber. S. 710.