Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

694 Schußberathung. 
Weise stellt dies Amendement sich genau auf den Standpunkt der Preußischen 
Verfassung mit allen daraus hervorgegangenen Conflicten. In der Preußi- 
schen Verfassung ist die Einnahme auch vollständig sicher gestellt, die Ein- 
nahme — wissen Sie — geht immer fort, daran kann die Laudesvertretung 
nichts ändern. Wie verhält es sich aber mit der Ausgabe? Die Aus- 
gabe hat allein alle Streitigkeiten der letzten Jahre veranlaßt; in der Preußi- 
schen Verfassung steht bekanutlich, daß die Ausgabe ausdrücklich von der 
Landesvertretung bewilligt sein muß. Dasselbe will dies Amendement, es 
sagt nämlich: „Die Ver ausg abung dieser Summe für das gesammte 
Bundesheer und dessen Einrichtung wird durch das Etatsgesetz 
festgestellt.“ Auch gegen diese Bestimmung habe ich nichts, so lange aus- 
drücklich durch die Annahme des Stolberg'schen Ameudements uns gesichert 
ist, daß die Ausgabe für 300,000 Köpfe gemacht werden muß. Das ist in 
diesem Amendement aber nicht gesagt; Sie haben nur für die Berechnung 
der Einnahmen die fraglichen 225 Thaler gesichert, Sie haben nur ge- 
sichert daß die verbündeten Regierungen genöthigt sind 225 mal 300,000 
Thaler alljährlich auch nach 1871 in die Bundeskasse ein zubezahlen. Aber 
der Reichstag wird dann nachher darüber entscheiden, ob diese Summe ver- 
ausgabt werden soll und wenn der Reichstag sagt: es soll nicht für 300,000 
Mann, sondern nur für 200,000 Mann diese Ausgabe gemacht werden, so bleibe 
etwa ein Drittel unbenutzt in der Bundeskasse liegen, es wird über dieses 
Drittel eben so wenig disponirt, wie nach dem klaren Wortlaute der 
Preußischen Verfassung Üüber die Einnahmen disponirt werden kann, wenn 
die Landesvertretung nicht in Uebereinstimmung mit der Regierung dazu die 
Zustimmung gegeben hat. Was hilft es uns also im Wesentlichen, daß wir 
eine Einuahme von 225 mal 300,000 Thaler haben, wenn sie nicht ver- 
ausgabt werden sollen, wenn die Friedenspräsenzstärke der Armer 
nach 1871 bei Beseitigung des Stolberg'schen Amendements rein in die 
Willkür des Reichstages gestellt werden soll, wenn der Reichstag de- 
cretiren kana: wir wollen eine Friedenspräsengstärke von nur 200,000 Köpfen 
bewilligen, und im Einklange damit ferner sagt: wir wollen nur die Ver- 
ausgabungsmittel für 200,000 Mann bewilligen, so ist eine rein leere 
Phrase, wenn für 300,000 Mann das Geld in der Bundeskasse liegt, wenn 
es aber nur für 200,000 Mann verausgabt werden soll. Sic werden uns 
auch nicht trösten mit einem Zusatze, der wenn ich recht berichtet bin erst 
nachträglich in das Amendement hineingekommen, meiner Ansicht aber 
nicht mehr werlh ist als das Papier, worauf es gedruckt ist. (Unruhe.) 
Der Zusatz lautet: „Bei der Feststellung des Militairausgabe-Etats wird 
die auf Grundlage dieser Verfassung gesetzlich feststehende Organisation des 
Bundesheeres zu Grunde gelegt.“ Meine Herren, wir haben einc ähnliche 
Bestimmung bereits früher gehabt bei der Vorberathung und haben sie da- 
mals, wenn mich mein Gedächtniß nicht täuscht, verworfen. Ich habe eben 
gesagt und wie es schien zum Mißvergnügen eines Theils der Versammlung,
	        
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