Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band II (2)

Artikel 20. 21. Mever. 61 
Herren! Es wird immer nur eine verhältnihmäßig sehr kleine Zahl von 
Männern bei der Wahl in Frage kommen, und wenn Sie die Beamten 
ausschließen, so werden Sie mindestens 50 Procent dieser kleinen 
Zahl ausschließen. Und ich möchte wissen, ob dann olelleicht Jemand 
auf einen eigenthümlichen Ausweg kommen mochte, der — ich sage, Gott 
sei Dank! — in Deutschland noch nicht betreten ist, wenn auch vielleicht 
schon leise Anklänge daran sich bemerklich gemacht haben. Meine Herren, 
Sie wissen, wenn die Wählerschaften ulcht recht wissen, wen sle 
wählen follten, so könnten die Regierungen auf den Gedanken 
lommen, lhnen das Aussuchen zu erleichtern, und wir würden da 
vielleicht an die Mbglichkelt von Reglerungscandidaten zu denken haben. 
Das, meine Herren, wüäre doch eine sehr bedenkliche Perspective. Meine 
Herren, in diesem Sinne bitte lch Sie, den Artikel anzunehmen. Dae all- 
gemeine, directe geheime Wahlrecht — lassen Sie es stehen, wie es jetz steht, 
und lassen Sie es stehen, wie es slch jetzt gesetzlich sestgestellt befindet, auch 
bie zum Zustandekommen des eigentlichen definitiven Reichswahlgesetzes. Meine 
Herren, thun Sie das, indem Sie sich, um was ich Sie bitten wollte, auf 
den Boden der Thatsachen stellen. Ich meine damit aber, meine Herren, 
nicht bloß die unvergleichlichen Thaten des vorigen Jahres, sondern ich 
meine und bringe damit in Verbindung einige andere Thatsachen, die theils 
vorher, theils nachher liegen. Meine Herren, an die Thatsachen, die vorher 
liegen, erlaube ich mir mit zwei Worten zu erinnern. Daß der militawische 
Sieg des vorigen Jahres ein politisch unwiderruflicher ist, das haben die 
politischen Bewegungen bewirkt, die thuen vorhergingen. Es sind im vorigen 
Jahre eine Masse von Schlagbäumen von dem Gebiete der Gedanken — 
ich meine eine Masse von Vorurtheilen — gesallen, meine Herren, die Vor- 
urtheile, die in ganz Deutschland gegen Preußen und Preußisches Wesen in 
ausgedehntem Maße bestanden, sie siud geschwunden. Wenn sie geschwunden 
find, so mag das eine Veranlassung sein, uns für dle Zukunft so einzurich- 
ten, daß sie nimmermehr wieder errichtet werden können. Meine Herren, 
der Reichstag, den wir schaffen wollen, wird, so hoffe ich, zunächst einen 
Anstoß geben zu einer Umbildung und zu einer Fortbildung der Parteien; 
wir haben schon in diesen Tagen die wunderbarsten Erfahrungen gemacht; 
ein Antrag Twesten wurde von dem verchrten Mitgliede von Neustettin von 
allen Seiten besehen, ob auch nicht etwas Gefährliches darin stecke, weil er 
sagte: Timeo Dangos et dons ferentes. Meine Herren, er überzeugte sich, 
es war nichts Schlimmes darin, es war eine Stärkung der Centralgewalt 
darin, welche die natlonale Partei mit Recht und mit vollem Herzen erstrebt, 
und nachdem er sich überzeugt hatte, es sel kein Pferdefuß darin versteckt, 
erklärte er sich damit einverstanden. Meine Herren, wir sehen auch anderer- 
seits, daß gerade heute bei der uns hier speciell vorliegenden Frage diejenigen 
Herren, die sich conservatioe nennen, auch verschiedener Meinung sind. Dos 
ist vie eigentliche Fortbildung, die ich mir von dem neuen Deutschen Reiche-
	        
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