66 Neichstag.
Beeinflussung der Wahlen, die gewiß auf unsittlicher Wurzel beruht, wie
von Allen eingestanden wird, auch nach der anderen Seite, nach der
Seite derer, die geneigt sind, die Beeinflussung durch üußere Mittel
auszullben, ist das vortreffliche Correctiv der gehelmen Stim-
menabgabe gar nicht genug zuempfehlen. Denn in demselben Augen-
blicke, wo Sie sie wirklich durchführen, fUhren die Bestechungen und Dro-
hungen zu nichts mehr, weil man ihre Wirkung nicht controliren kann, sle
werden daher schließlich unterbleiben oder wenigstens auf unendlich kleine
Kreise beschränkt werden. Ich möchte nun den geehrten Herrn auf
dleser Seite des Hauses (rechts) noch Eines sagen. Sie sollten doch,
wenn sie gerecht sein wollen, bedenken, daß ein großer Einfluß ihrer
seits auf die Wahlen, den sie ja wünschen, schon von selbst, abge-
sehen von allen Bestimmungen dieses oder jenes Wahlgesetzes,
gegeben ist, ein großer und berechtigter Einfluß. Der intelligente
und gebildete Mensch, der Mensch, der eine bedeutende soclale Stellung hat,
ein großer Grundbesitzer z. B., ein großer Arbeitgeber im Gewerks-
leben, ein großer Fabrikant, üben einen solchen Einfluß. Ja,
mein Gott, an solche Müänner lehnen sich eine Masse von Per-
sonen an, die vermöge ihrer eigenen Existenz auf sie als Brod. und Ar-
beitgeber hingewiesen sind. Intelligenz und Besitz vertreten sich
selbst, haben immer Einfluß bei jeder Art der Wahl, und die
anderen Klassen, die nicht damit gesegnet sind, sind schon ohnehin von
der Natur oder vermöge ihrer soclalen Lage viel ungünstiger gestellt,
wie Sie, meine Herren. Also verstärken Sie diese ungünstige Stel-
lung nicht noch durch solche Rechtsnachtheile und Abdämmungen,
die in der That nicht nöthig und nicht berechtigt sind. Sie schädigen
schließlich ihre eigene Stellung, wenn Sie zu diesen Dingen Ihre Zuflucht
nehmen. (Ruf: sehr richtig! links.) Ich habe immer gesehen, daß der hu-
mane Mann, der dem Arbeiterstande, der dem Stande der klei-
nen Leute ein Herz zeigt für deren Interessen, daß der immer
einen großen Vorsprung bei allen Wahlen und allen Acten des
öffentlichen Lebens hat. Ich habe es ebenso gesehen, daß der be-
deutende Mensch, der eine Ansicht vertritt und sie geltend zu
machen weiß, immer einen großen Einfluß hat. Dezhalb bleibe ich
dabei, daß der Besitz und die Intelligenz von selbst die ihnen zukommende
thatsächliche Bedeutung haben, und daß kein Gesetz das nehmen kann, ebenso
wie es kein Gesetz geben kann. Nun, wollen wir doch auch nicht diese recht-
lichen Momente noch dazu bringen, und dasjenige, was die günstiger gestell-
ten Klassen ohnehin voraus haben, zu einem Unrechte machen, indem wir
gesetzliche Ausschließungen und gesetzliche Ungleichhelten zudem,
was ja schon in den socialen Verhältnissen allein liegt, hinzu-
fügen! (Lebhaftes Bravo links.) In Bezug auf die Anträge über
die Beamten habe ich sehr wenig zu sagen. Mir liegt der frühere