984 I. Session des deutschen Reichstages.
Freiherrn von Ketteler auf, welcher auf diese Presse einen hohen Einfluß
übt, (Widerspruch) im Namen der Freiheit der Diskussion, die er gestern
mit warmen Worten für seine Partei wie für Alle in Anspruch genommen
hat, uns zu schützen gegen solche ungerechte Angriffe! Meine Herren, ich
habe die Gründe darzulegen, welche mich bestimmen, für die Tagesordnung
zu stimmen, die wir proponirt haben. Ich erkläre hiermit, daß ich mich
einverstanden erklärt habe meinen Wählern gegenüber — es ist dies ganz
richtig — damit, daß die §§ 12—16 aus der preußischen Verfassung in
die Reichsverfassung herüberkommen. Ich habe damit den Gedanken ver-
folgt, daß die Freiheiten, welche wir in Preußen genießen, deren wir Ka-
tholiken uns in Preußen erfreuen, auch zu Theil werden im Reiche unseren
süddeutschen Brüdern, welche in dieser Beziehung vielleicht nicht so glücklich
gestellt find wie wir. Meine Herren, ich erkenne das vollkommen an, aber
der Zeitwunkt, den Sie gewählt haben, die Art und Weise, wie Sie diese
Anträge gebracht haben, — ich kann nicht mit Ihnen übereinstimmen, daß
er so gewählt war, daß es dem Interesse der katholischen Kirche, daß es
den Interessen, welche Sie hier vertreten, entspricht und sie fördert. Meine
Herren, ich war während der Wahlagitationen nicht im Lande sondern, wie
ich vorübergehend erwähne, als katholischer Maltheser im Dienste der christ-
lichen Caritas in Frankreich. Von Breslauer katholischen Blättern ist in
dieser Zeit gegen mich agitirt worden als gegen einen liberalen, schlechten
Katholiken. Meine Herren, ein geistlicher Herr aus meinem Wahlkreise hat
sich meiner angenommen, und er hat mir nach Versailles die Anfrage ge-
stellt, ob ich stimmen würde für die Einführung der §§ 12—16 aus der
preußischen Verfassung in die Reichsverfassung. Ich habe dem Herrn ge-
antwortet: „Sie verlangen positive Garantien, daß ich diese Anträge unter-
stützen werde; als Gegenleistung verlange ich die Garantie, daß diese Para-
graphen unbeschädigt in der Reichsverfassung stehen werden, und daß nicht
aus der Stellung der bezüglichen Anträge in der hohen Versammlung eine
Schädigung derselben durch gegenüberstehende Parteien erfolgen werde, daß
wir in Preußen der Rechte, die wir genießen, nicht etwa verlustig gehen,
ohne den Süddeutschen irgend etwas genutzt zu haben.“ Meine Herren, ich
glaube, daß ich die Situation von dort aus und damals ganz richtig auf-
gefaßt habe, und daß ich die Situation besser aufgefaßt habe als die Herren,
die heute diese Anträge in das Haus gebracht haben, und deshalb bin ich
auch nicht im Stande, heute für Ihre Anträge zu stimmen. Meine Herren!
Sie haben diese parlamentarische Kampagne damit eröffnet, daß Sie positiv
nur ein katholisches Programm aufgestellt haben, — einige Herren haben
das ableugnen wollen, aber ich könnte Ihnen Beweise liefern, daß gerade
im Schoße der katholischen Partei die Bildung einer geschlossenen katho-
lischen Phalanr im Reichstage — so war der Ausdruck — gefordert worden
ist. — Sie haben die parlamentarische Kampagne unglücklich eröffnet, Sie
haben leider eine unglückliche Zeit gewählt, Sie haben bedauerliche Debatten