Art. 2. Grundrechte. Frankenberg. 985
und Dissonanzen mit diesem Antrage in dieses hohe Haus gebracht. Sie
haben die Frciheiten, die wir genießen, aufs Spiel gestellt, Sie haben den
Reichstag unbedachtsam angereizt wegzuvotiren, was wir bisher genießen,
und auf diese Wege kann ich Ihnen nicht folgen. In der Adreßdebatte,
meine Herren, haben Sie uns einen wesentlichen Schaden damit gethan,
daß — wie gestern der Herr Abgeordnete von Blanckenburg schon bemerkte —
Sie sich so heftig gegen den Satz gewendet haben, daß das neue Deutsche
Reich sich in das innere Leben anderer Völker nicht einmischen solle. Meine
Herren, Sie haben damit implicite zugegeben, was Sie durchaus nicht
wollten, daß die römische Frage eine innere Frage Italiens sei; Sie haben
sich dadurch den Standpunkt sehr erschwert und den Standpunkt der Katho-
liken überhaupt zweifelhaft gemacht. Ich nehme daher Veranlassung, Protest
zu erheben dagegen, daß die römische Frage eine innere italienische Frage
sei; gerade im Interesse der Katholiken fasse ich sie als eine internationale
Frage, zu deren Lösung wir Deutschen Katholiken beizutragen sehr nöthig
baben werden. Meine Herren, aber diese Lösung werden Sie nicht finden,
indem Sie stumm und schmollend zur Seite stehen, wenn das ganze Deutsche
Volk und außer Ihnen das ganze übrige Haus warme und begeisterte Worte
findet, um zum ersten Male den Kaiser anzureden. Wären Sie mit Auf-
gabe Ihrer kleinlichen Bedenken mit uns gegangen, ich glaube, die spätere
Lösung würde sich im Verein mit diesen Herren viel leichter haben finden
lassen. Im Deutschen Geiste und durch Deutsche Kraft muß diese Frage
gelöst werden, und, meine Herren, ich bitte Sie, vergessen Sie nie das
Wort des Dichters:
Ans Vaterland, ans theure, schließ dich an,
Das halte fest mit deinem ganzen Herzen;
Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft,
Dort in der röm’'schen Welt stehst du allein. (Lebhaftes Bravo.)
Wenn ich Ihnen, meine Herren, meinen letzten Gedanken mittheilen soll,
wie diese Frage am besten zum Austrage kommen kann, so ist es der, daß
ich Sie bitte: wenden Sie Ihren ganzen, großen Einfluß in Rom darauf
bin, daß auf den Stuhl des heiligen Petrus ein Deutscher komme! Wenn
Deutscher Geist und Deutsche Frömmigkeit in den Vatikan einziehen,
werden wir die Lösung der römischen Frage haben. Ich schließe, meine
Herren, mit einer Bitte an Sic. Sie müssen erkannt haben, daß mit Ein-
bringung der Anträge Sie sich wiederum in die unglückliche Lage gebracht
haben, daß das ganze Haus gegen Sie stimmen wird; Sie haben nur Eine
Bundesgenossenschaft gewonnen, die des Herrn Sonnemann und Genossen.
(Widerspruch. Ruf: Nein! Bebel und Schraps, die Polen!) Für eine
Centrumspartei ist das ein sehr bedenklicher Zustand, für eine Partei, die
sich konserrativ nennt — (Widerspruch aus dem Centrum) ja, meine Herren,
der Ausdruck ist hier von dem Abgeordneten Dr. Windthorst gefallen, der