990 I. Seiston des deutschen Reichstages.
Rede war oder wenn er irgendwie in die Debatte hereingezogen ward, man
uns immer entgegenrief: „der unfeblbare Papst!“ Schon damals haben
Sie, (Heiterkeit links) — ich meine Sie, meine Herren, nicht alle persönlich,
sondernm Ihre Gesinmmgsgenossen, Ihre Stellung für den unfehlbaren Papst
genommen — Wir haben damals unfrerscits gesagt, es sei dies noch kein
Dogma sondem unur eine allerdings sehr weit verbreitete und von sehr rielen
gelehrten Theologen vertbeidigte Ansicht. Das haben wir damals gesagt.
Jetzt, wo wir mit Ihnen einverstanden sind und sagen: ja, der Papst ist
unfehlbar (Heiterkeit) — jetzt wird es durchaus ein schwerer Anklagepunkt gegen
ihn und uns. Aber, meine Herren, Sie kennen das Wesen der päpstlichen
Unfehlbarkeit nicht, das habe ich aus all Ihren Reden entnommen; Sie
beurtheilen die Materie nur nach den Zeitungen oder hächstens vielleicht auch
noch nach einigen Broschüren, mancher von Ihnen vielleicht sogar nur aus
seiner Zeitung, aus derjenigen, die er gerade zu lesen pflegt. Wenn Sie
nur etwas tiefer in der Sache blicken wollen, so werden Sie sich überzeugen,
daß nach außen hin, dem Staate und den anderen Konfessionen gegenüber
nicht das Mindeste durch das Unfehlbarkeitsdogma geändert ist. (Wider-
spruch.) Ich behaupte das und werde es auch mit Gründen belegen. Es
ist nämlich vron jeher, meine Herren, — daß Sie das nicht wissen, nehme
ich Ihnen nicht übel soweit Sie nicht Katholiken sind — es ist von jeber
allgemeine, selbst von den ertremsten Gallikanern angenommene kirchliche
Lehre gewesen, daß der Papst die höchste Autorität in allen Fragen der kirch-
lichen Lehre und der Sitte bildet. Daß es so war, dafür will ich Ihnen
privatim die Belege liefern, hier würde es zu weit führen. Die äußere
Wirkung seiner Aussprüche ex cathecrra ist also ganz dieselbe, mag er nun
unfehlbar oder nicht unfeblbar sein: die Katholiken mußten ihm in diesen
Materien der kirchlichen Lehren, mindestens vorläufig, folgen; wollten sie ihm
nicht folgen, so traten sic eben einfach aus der RKirche aus, wie es z. B. die
Jansenisten gethan haben. So lange man katholisch bleiben wollte, mußte
man sage ich den Anssprüchen des Papstes zufolge seiner Autorität Folge
leisten. Ganz dasselbe findet auch jetzt statt, nur daß den Katboliken jetzt
gelehrt wird, sie müßten auch in ihrem Inneren glauben, nicht blos
dußerlich gehorchen — sie hätten i nerlich zu glauben, daß ein Ausspruch der
gedachten Art ein in sich wahrer ist, daß es nicht bloß die Autorität des
Paxstes, in seiner Eigenschaft als Oberhaupt der Kirche ist, welcher wir zu
folgen haben, sondern daß wir im Jnnern den Glanben hegen müssen: was
der Papst ex cathedra sagt, ist an sich wahr — (Unterbrechung) links) in
Glaubenssachen, meine Herren. Sie seben also, meine Herren, nach außen
hin, in Beziebung auf den Staat und andere Konfessionen ist in der Sache
selbst absolut nichts geändert. Nun, meine Herren, werden allerlei päpstliche
Bullen und Gott weiß was Alles aus den vorigen Jahrhunderten ausgegraben.
(Ruf: aus dem Jahre 1868!) Nun ja, ich komme auch auf das Jahr 1868;
ich fange nur mit den ältesten an. (Heiterkeit.) Es werden also alle mög-