Art. 2. Grundrechte. Reichensperger. 995
pflegt. Ich gestehe offen, daß ich vor mir selbst auf der Hut sein muß,
wenn er so energisch einschneidend seine Behauptungen aufstellt, ich muß es
mir immer erst etwas überlegen, ob denn das, was er vorbringt, sich wirk-
lich so verhält. In der Regel komme ich dann dazu, daß das, was er sagt
— wenigstens was er gegen uns sagt, sonst sagt er manches Schöne und
Wahre — (Heiterkeit) in der Regel entweder nicht richtig, oder in einem
falschen Lichte dargestellt oder nur halb wahr ist, und glaube ich, daß seine
Aeußemmgen, wie er sie gestern gethan hat, unter diese verschiedenen Kate-
gorien zu subsumiren sind. Ich habe mir so viel notirt, daß ich nothwendig
eine Auslese halten muß, um Sie nicht gar zu sehr zu ermüden und die
Debatte nicht allzu sehr in die Länge zu ziehen. Unter Anderem hat der
Herr Abgeordnete unseren Patriotismus in Zweifel stellen zu können geglaubt,
er hat auf die Vergangenheit unserer Fraktion oder vieler ihrer Mitglieder
bingewiesen und hat namentlich geglanbt, in Worten hätten wir unsern
Patriotismus wohl bethätigt, nicht aber in Thaten. Er hat nur vergessen
anzuführen — vielleicht holt er es bei einer andern Gelegenbeit nach — die
Thaten zu bezeichnen, durch welche er seinen Patriotiemus bewiesen hat,
sie sind mir bis jetzt noch nicht bekannt geworden; die Muse der Geschichte
wird sie wahrscheinlich noch notiren. (Heiterkeit.) Was den letzten Krieg
anbelangt, so glaube ich dem Herrn Abgeordneten sagen zu können, daß ver-
hältnißmäßig eben so viel katholisches, oder wenn Sie dann lieber so wollen,
klerikales Blut geflossen ist wie liberales, und daß in der Nähe der Schlacht-
felder — ich weiß nicht, es scheint, daß der Herr Abgeordnete Migquel sich
nicht in solcher Nähe befunden hat, denn sonst würde er wahrgenommen
haben, daß in der Nähe der Schlachtfelder die Katholiken, die Laien sowohl
als die Priester und Ordensleute, redlich in Opferwilligkeit gewetteifert haben
mit den Repräsentanten anderer Konfessionen. (Bravol); wenn das bezweifelt
wird, meine Herren — (Nein! Nein!) — wird es nicht bezweifelt, meine Herren,
nun dann, glaube ich, hat der Abgeordnete Miquel ein umbewachtes Wort
ausgesprochen. (Nein! nein! Widerspruch.) Sodann hat der Herr Abgeord-
nete Miquel uns auch auf unsere Vergangenheit in Bezug auf die deutsche
Frage hingewiesen. Ich kann nur auf das Sprüchwort zurückweisen,
was ich zuvor angeführt habe. Ich glaube, die Herren, — viele von Ihnen
wenigstens oder von Ihrer Partei, — sollten sich möglichst vor retrospektiven
Bemerkungen hüten; ich könnte Ihnen Aeußerungen anführen, die ich hier
im Abgeordnetenhause gehört habe, Aeußenmgen von Mitgliedern, welche
dieser Seite (nach links) angehörten, über das damals aufgehende Gestirn
unseres hervorragendsten Staatsmannes. Ueber dieses Gestirn sind damals
Aeußerungen gefallen — sehr signifikat ive Acußerungen — von Denen, die
jetzt als Sonnenanbeter vor ihm im Staube liegen; — (große Unruhe) weiter
will ich aus Diekretion nichts sagen, meine Herren! Ich sollte meinen, wir
lassen einen Vorhang fallen vor alles das, was der Eine oder der Andere
früher gesagt hat; (Widerspruch) Sie (nach links) thun jedenfalls am klügsten
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