Art. 2. Grundrechte. Reichensperger. 997
nationalfeindlichen Bestrebungen, die Herrschaftsgelüste der katholischen Hierarchie,
durch nichts anderes, aber auch schließlich sicher, niedergekämpft werden müssen
als durch die katholischen Konfessionsgenossen selber“. Unter großem Beifall
seitens seiner Parteigenossen hat er das gesagt. Es scheint, daß der Herr
Abgeordnete Miquel mittlerweile anderen Sinnes geworden ist, denn er über-
läßt es den Katholiken nich mehr, ihre inmeren Streitigkeiten unter sich aus-
zufechten; er gewährt ihnen vielmehr eine sehr kräftige Nachhülfe. (Heiter-
keit.) Ich glaube, der Herr Abgeordnete sollte auf dem Standpunkte stehen
bleiben, den er damals als den seinigen bezeichnet hat, daß er nämlich ruhig
abwarten wolle, daß der Katholizismus in sich selber zusammenstürzt. Aller-
dings kann er darauf noch lange warten. (Heiterkeit.) Man hat auch noch
auf den Zwiespalt hingewiesen, der selbst in diesem Haufe sich kundgebe.
Nun desto besser für Sie! Um so ruhiger können Sie darum zusehen, was
sich weiter unter uns Katholiken begeben wird. (Heiterkeit.) Deswegen be-
greife ich denn auch nicht, wie Sie gegenüber dem § 15 so engstlich
sein können. Wenn die Voraussetzungen und Prophezeiungen richtig sind,
wie wir sie von verschiedenen Seiten her gehört haben, daß nämlich durch
den § 15 eine maßlose Verwirrung in die katholische Kirche kommen
werde, ja ein Chaos sogar sich ergeben werde — wenn das richtig ist, dann geben
Sie uns doch den § 15, meine Herren, dann sind Sie ja fertig mit
den Ultramontanen, mit dieser „nationalfeindlichen“ Partei! (Heiterkeit.)
Das, was Sie unserem Antrage entgegenhalten, scheint sich mir in der That
innerlich nicht recht zu reimen. Der Abgeordnete Miquel hat dann ferner
geglaubt, daß kein Staat mit einer solchen Entwicklung der katholischen Kirche
bestehen könne, wie der § 15 sie ermögliche, ja sogar in sichere Aussicht
stelle, namentlich in Anbetracht des neuesten Vorkommnisses in derekatholi-
schen Kirche. Ueber dieses neueste Vorkommniß in der katholischen Kirche
glaube ich schon das Nöthige gesagt zu haben und mochte deshalb den Herrn
Abgeordneten nur noch auf Amerika und Holland — auf England komme
ich noch — hinweisen. Meine Herren, ich habe von ziemlich früher Jugend
an die Bewegungen in England, die gewiß höchst interessant sind, mit größter
Aufmerksamkeit verfolgt. Als dort die Katholikenemanzipation ausgesprochen
werden sollte, als O'Connel das Königreich durchreiste und seine welterschüt-
ternden Reden hielt, da sind im englischen Parlament ganz dieselben Be-
fürchtungen laut geworden, wie wir sie hier von Ihnen gehört haben. Man
glaubte die Staatskirche, ja den Staat selbst, alle Traditionen des Landes
gefährdet, wenn man die Katholiken emanzipire, wenn man den Testeid auf-
höbe. Das hat man Alles in England gefürchtet. Meine Herren, die Ver-
treter des Landes aber waren großherzig und ich füge hinzu politisch genug,
die Katholiken zu emanzipiren; sie lassen die katholische Kirche in England
frei walten und schalten. Hier und da tritt wohl mal eine kleine Kollision
hervor; dieselbe verschwindet aber bald wieder. Fragen Sie die Engländer,
fragen Sie die englischen Staatsmänner, ob England dadurch krank geworden