Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Art. 2. Grundrechte. Crämer. 999 
Crämer (Nürnberg):) Meine Herren, der Herr Vorredner hat seine 
Rede damit begonnen, daß er sagte, er und seine Freunde kämen sich vor, 
als seien Sie in eine Festung eingeschlossen und würden von allen Seiten 
bombardirt. Es hat wirklich den Anschein, als wenn die Herren in einer 
Festung wären, allein ich muß mir vor Allem die Frage vorlegen: wie sind 
Sie denn in die Festung gekommen, was hat Sie denn in die Lage versetzt, 
in der Sie sich jetzt besinden, und die Ihnen eben doch jetzt etwas unange- 
nehm zu werden droht, (Widerspruch im Centrum) weil Sie von allen Seiten 
ber sich bemühen müssen nachzuweisen, daß das, was sie uns zur Annahme 
vorschlagen, an sich nicht nur nichts Gefährliches sondern etwas außerordent- 
lich Wohlthätiges für den ganzen Staat sei? Ich bin weit entfernt, an der 
offenen Darlegung Ihrer Anschauung zu zweifeln, aber, meine Herren, uns 
werden Sie doch nicht zumuthen wollen, daß wir so ohne Weiteres hier unter 
dem Aushängeschild von Grundrechten Sätze annehmen, die nach Ihrer eigenen 
Darstellung eine außerordentlich wichtige Frage jetzt zum Abschluß bringen 
sollen. Sie haben — und das ist schon wiederhelt bemerkt worden — die 
Prebfreiheit, die Vereinsfreiheit auch aufgenommen, aber jetzt zeigt sichs, daß 
davon sehr wenig mehr die Rede ist; jetzt kommen Sie mehr und nihr auf 
den eigentlichen Kernpunkt der Frage, und der gipfelt denn doch darin, daß 
Sie besondere Freiheiten außer denen, die Sie schon besitzen, für sich, für 
die katholische Kirche in Anspruch nehmen. (Ruf im Centrum: Neinl) 
Ja, meine Herren, Sie sagen Nein! Sie wollen auch für die evangelische 
Kirche dasselbe. Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür; ich bin Protestant, und 
ich freue mich wirklich, daß es dahin gekommen ist, daß Sie nicht mehr 
sagen, wir sind Ketzer; sondern daß Sie selber, anders als Ihre Vorfahren, 
hier aussprechen müssen: wir wollen die Gleichberechtigung. Sehen Sie, 
meine Herren, Sie mußten in vielen Dingen nachgeben, und Sie werden 
noch in manchen Dingen nachgeben müssen; es wird Ihnen nichts helfen, 
Sie mögen sich noch so fest in Ihre Festungen verschanzen! (Bravol) Sie 
drücken mit Ihrem Antrage dem ersten Deutschen Reichstage eine eigenthüm- 
liche Signatur auf, es ist eine eigenthümliche Erscheinung, daß, während wir 
kaum aus dem großen Kampfe herausgetreten sind, die Nation schon wieder 
die Kraft hat solche Fragen in so langen Diskussionen in Angriff zu nehmen, 
und daß — das gestehe ich Ihnen zu — auch Ihre Festung noch in der 
Beschaffenheit ist (weil es doch nur ein geistiger Kampf ist) daß wir noch 
lange nicht daran denken können Sie auszuhungern; Sie sind noch mit 
reichlichem Proviant versehen, das gestehe ich Ihnen gern zu. Allein wohin 
kommen wir mit solchem Kampfe? Wir kommen dahin, daß wir vielleicht in 
noch einigen Sitzungen eine große Frage — ich nenne sie selbst so — in 
einer Weise behandeln, daß wir uns gegenseitig nachweisen, wie wir mit 
unseren Reden Recht und Umecht haben. Damit wird aber die Frage nicht 
*) St. B. S. 148 r. u.
	        
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