Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Art. 2. Grundrechte. Sonnemann. 1003 
was irgend eine Partei an Freiheit für die Presse fordern kann. Es ist 
zwar hier an dieser Stelle von dem Herrn r. Kiefer gestern gesagt worden, 
daß der neue Deutsche Staat in dem Geiste Friedrichs des Großen jetzt 
ausgebaut werde. Nun, meine Herren, in Beziehung auf die Presse ist in 
Preußen gewiß kein Zustand, der in dem Geiste Friedrichs des Großen ist. 
Ich brauche nicht an das bekannte Wort zu erinnern, was Friedrich II. in 
Beziebung auf die Presse gesagt hat. Sehen Sie sich um in den Staaten, 
die uns umgeben! Mit Ausnahme von Rußland weiß ich kcinen, in 
welchem die Presse rechtlich in solchem unfreien Zustande wäre wie in 
Preußen. Sehen Sie sich um in ganz Deutschland: Sie finden keinen 
andern Staat. — (Stimmen rechts: „Frankfurter Zeitung"!) Ich werde 
gleich davon sprechen, da ich in dieser Beziehung Gelegenheit hatte einige 
Erfabrungen zu sammeln. Wir haben in Preußen Kautionen und zwar 
sehr bedeutende Kautionen. Wir haben Beschlagnahmen durch die Verwal- 
tung, die nichts anderes sind als — wie es gestern bereits ausgesprochen 
worden ist — partielle Vermögenskonfiskationen, die so bedeutend zum Theil 
sind, daß sie meinem Blatte selbst im Laufe dieses Winters einen Verlust 
von etwa 2000 Thalern zugefügt haben. Bei einer einzigen Nummer der 
„Vossischen Zeitung“, welche konfiszirt worden ist, betrug der Verlust 
1000 Thaler. Diese Summen sind stets ganz verloren, wenn auch die 
Blätter als Makulatur 4 bis 6 Wochen nachher wieder hereingebracht werden. 
Und in welcher Weise verfahren die Verwaltungsbehörden bei dieser Kon- 
fiskation! Von den 12 Konfiskationen, die mein Blat im Laufe des 
Krieges erfuhr, konnte von dem Staatsanwalt auch nicht in einem einzigen 
Falle Anklage erhoben werden, nicht in einem einzigen Falle, der auf 
den Krieg Bezug hat. Und wie geht es bei solchen Konfiskationen her? 
Ein untergeordneter Polizeibeamter, der oft nicht einmal versteht, was er 
liest, nimmt das Blatt zur Hand und läuft zum Polizeipräsidenten: das 
muß konfiszirt werden! und in 5 Minuten ist es konfiszirt. Wie es dabei 
hergeht, dafür will ich Ihnen ein Beispiel erzählen. Wegen einer kleinen 
Notiz aus einem belgischen Blatte wurde die „Frankfurter Zeitung“ im 
Laufe des letzten Herbstes plötzlich konfiszirt. Es stand darin, es habe ein 
Vorpostengefecht stattgefunden zwischen 30 Franzosen und 10 Preußen, bei 
welchem die Franzosen die Oberhand behalten hätten. Das war der ganze 
Inhalt der Notiz. Das wurde ausgelegt als Verbreitung ungünstiger Kriegs- 
nachrichten und das Blatt wurde konfiszirt. Ich begab mich darauf anderen 
Tages zum Polizeipräsidenten mit der „Norddentschen Allgemeinen Zeitung“ 
und der „Kreuzzeitung“, welche beide dieselbe Notiz hatten, und zeigte die- 
selben vor: — „ja das ist ein Irthum“. (Hört, hört! links.) Ja, meine 
Herren, aber der Irrthum wurde nicht wieder gut gemacht durch die so- 
fortige Freigebung des Blattes, sondern erst nach Wochen erhielten wir dies 
Blatt wieder zurück. (Hört! Hört!) So, meine Herren, geht es mit den 
Beschlagnahmen in Bezug auf die Presse. Wie es hier in Berlin herge-
	        
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