Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1004 I. Session des deutschen Reichstages. 
gangen ist, wissen Sie! Bekanntlich ist einem hiesigen Blatte gedroht 
worden, — allerdings hat man kein Aktenstück darüber ausgefertigt — daß, wenn 
nicht ein anderer Ton in dem betreffenden Blatte angeschlagen werden 
würde, man es vierzehn Jage lang jeden anderen Tag konfisziren würde. 
(Hört!) Es ist das eine bekannte Thatsache und sie ist auch bis jetzt nicht 
in Abrede gestellt worden. Unter solchen Umständen muß man sich doch 
fragen: ist es nicht Zeit dafür zu sorgen, daß die Presse in einen sicheren 
Hafen gebracht wird? Ich habe jetzt von den Kautionen gesprochen, ge- 
statten Sie mir noch ein Wort über den Zeitungsstempel hinzuzufügen. Der 
Zeitungsstempel ist außer in Preußen in den Ländern, die uns umgeben, 
nur noch in Oesterreich; in Ungarn ist er schon aufgehoben, in den übrigen 
Theilen Oesterreichs soll er demnächst aufgehoben werden. Hier denkt man 
bis jetzt wic es scheint nicht an die Aufhebung. Und wie trifft dieser 
Stempel die Presse In Baiern, auch einem Lande, das zu dem neuen 
Deutschen Reiche gehört, eristirt ein Blatt, das verbreitetste Blatt in diesem 
Lande, die „Neuesten Nachrichten“" in München. Dieses Blatt hat nächst 
der hiesigen „Volkszeitung“ die meisten Leser unter den täglich erscheinen- 
den Blättern. Dieses Blatt kostet im Abonnement für das ganze Jahr 
nicht halb so viel, als ein großes preußisches Blatt an Stempel bezahlt. 
Das sind die Gesetze, auf deren Grund man für die Bildung und Auf- 
klärung der Nation wirken soll. Der Herr Abgeordnete von Treitschke hat 
in seiner Vertrauensseligkeit gestern gesagt: ja, man hat sogar in den An- 
trägen den Satz stehen lassen, daß die Cenfur nicht wieder eingeführt werden 
dürfe, etwas was so abgethan sei als die Folter. Der Herr Abgeordnete 
von Treitschke hat wahrscheinlich nicht oder seit langer Zeit nicht in der 
Tagespresse gewirkt; würde es ihm — ich sehe hier von jedem Parteistandpunkte 
ab — einmal begegnen darin thätig wirken zu müssen, so, glaube ich, würde 
seine Ansicht über unsere Preßzustände sich doch bald etwas ändern. Wir 
haben zwar auch in unserem Antrag das Wort „Censfur“ stehen lassen aus 
Pietät gegen dieses Denkmal Deutscher Kultur und Deutschen Geistes, gegen 
die Frankfurter Grundrechte. Wir haben gewiß nicht daran gedacht, daß 
man die Cenfur gesetzlich wieder einführen wird, aber sind denn die fort- 
währenden Beschlagnahmen nicht eine eben so große Gefahr für die Frei- 
heit der Presse als die Censur? Uebrigens kann ich Ihnen einen Fall an- 
führen, aus dem Sie ersehen werden, daß die Cenfur noch nicht ganz auf- 
gehört hat zu eristiren. Man hat mir persönlich zugemuthet, als ich mich 
über die vielen Konfiskationen beschwerte, unsere Artikel vor dem Druck der 
Polizei vorzulegen! Ich bin bereit, das zu beweisen, sobald es verlangt 
wird. Lassen Sie mich nun zum Schluß, da ich gerade über die Presse 
spreche, noch ein Wort über die Art und Weise sagen, wie man in dem 
Kriege, der jetzt hinter uns liegt, die Korrespondenten der Deutschen Blätter 
behandelt hat, und zwar ohne Unterschied der Partei. Es ist dem Korrespon- 
denten der „Schlesischen Zeitung“, die gewiß sehr national ist, ebenso ge-
	        
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