Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Art. 2. Grundrechte. Schulze. 1007 
zu Denen, welche über die Sachen hinweggehen wollten unter dem Vorwande, 
sie seien nicht opportun. Meine Herren, wir sind nur der Ansicht und 
haben dies sehr deutlich ausgesprochen sowohl bei der Erklärung im Be- 
ginne der Berathung als auch in der gegenwärtig von uns beantragten 
Tagesordnung: es sei nicht nützlich, es sei sogar absolut schädlich und ver- 
werflich, wenn man bei der Berathung der gegenwärtigen Vorlage Amende- 
ments so tiefgreifender Bedeutung vorbringt. Die Aufgabe liegt klar vor 
uns. Es handelt sich in dieser Vorlage ja gar nicht darum und kann sich 
nicht darum handeln, die Verfassung zu revidiren, sie materiell zu ver- 
bessern, — so sehr dies auch noth thut und gerade an gewissen Punkten, die 
der Herr Vorredner hervorhob, — sondern wir haben in diesem Augenblick nur 
dasjenige zu redigiren, welches früher durch Beschlüsse und Verträge der 
kompetenten Organe bercits festgestellt worden ist. Wir geben unser Votum 
nur darüber, ob die Redaktion, die die Regierung uns vorlegt, richtig ist 
und mit den früheren Beschlüssen und Verträgen stimmt, und ob die 
Fassung, in welche sie gebracht sind, etwa zu äudern wäre, ob sie recht ge- 
wählt ist oder nicht. Aber diese Reserve beschränkt sich auf diese Vorlage. 
In anderer Hinsicht, im weiteren Verlaufe der Session sind wir weit davon 
entfernt den Zusammentritt des ersten Dentschen Reichstages vorübergehen 
zu lassen, ohne unsere Stellung durch ganz bestimmte positire Anträge nach 
der Richtung der Verfassungsverbesserung hin klar zu bezeichnen. Ich würde 
bedauern, meine Herren, wenn das nicht geschähe, wenn der erste Deutsche 
Reichstag, auch wenn die Dinge nicht gleich zu erledigen sind, dem Volke 
die Ziele seiner nationalen Entwickelung nicht wenigstens in einigen Haupt- 
punkten zum Bewußtsein bringen wollte. Man erwartet das und mit Recht. 
Denken Sie, welch ein gewaltiger Zug durch unser Volk geht, was es nicht 
Alles erwartet von einem Deutschen Parlament! Daß diese Envwartungen 
nicht alle erfüllt werden können, ist gewiß; es wird Manches zurücktreten 
müssen vor den nächsten, dringendsten Aufgaben. Aber, ob auch Vieles sich 
nicht gleich erledigen lassen wird, ist es doch die Pflicht der liberalen Partei, 
ihre Zielpunkte hinzustellen; und daß das gerade bei den Grundrechten 
der Deutschen Reichsverfassung von 1849, die damals so gewaltig gewirkt 
haben, geschehen kann, das ist die Ueberzeugung meiner politischen Freunde 
und meine eigene! Was man auch gegen die Bedeutung von Grundrechten 
im Allgemeinen gesprochen hat, so ist dies ein Standpunkt, welchen wir 
niemals theilen. Einmal denken Sie doch, daß wir nicht mit einem Ein- 
heits= sondern mit einem Föderativstaate zu thun baben. Ich dächte, die 
Frage hätte uns manchmal beschäftigt, was in diesem oder jenem der 
einzelnen Bundesländer noch in diesem Angenblicke für Zustände bestehen, 
wo die Feststellung Deutscher Grundrechte zur Abhülfe sehr noth thäte! Ich 
gehe darauf nicht näher ein, und füge nur hinzu: es giebt keinen trefflicheren 
Weg als solche Grundrechte, um ein allgemeines Deutsches Bürger= und 
Nationalbewußtsein zu erwecken in den Angehörigen der einzelnen Bundes-
	        
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