Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Miaquel. 1049 
Beispiel zu nehmen, an den Antrag des Abgeordneten von Hagke, den man 
von allen Seiten mit Freuden begrüßt hat, wo man von allen Seiten ein 
Bedürfniß anerkannt hat, daß die Volljährigkeit nach gleichen Grundsätzen 
in ein und derselben Nation müsse behandelt werden. Meine Herren, wenn 
ich offen meine Ueberzeugung aussprechen soll, so gehört der Antrag des 
Abgeordneten von Haglke nicht in die jetzige Kompetenz der Bundesverfassung. 
Die Frage gehört nicht in das Obligationenrecht, nicht in das Strafrecht, 
nicht in das Handelsrecht, sondern sie gehört unzweifelhaft in das Familien- 
recht. Es ist also klar, wir hätten den Antrag zu ickweisen müssen, oder 
wenn wir ihn annehmen, und der Bundesrath ihn mit Zweidrittel-Mehrheit 
annimmt, so ändern wir die Verfassung bezüglich dieses einzelnen Zweckes. 
Kann das aber wohl gethan sein? Unmäöglich! Der Herr Abgeordnete 
Schulze hat im Preußischen Abgeordnetenhause einen Antrag gestellt, welcher 
bezweckt, diejenigen Vortheile, welche den Erwerbsgenossenschaften durch das 
Genossenschaftsgesetz, welches wir hier berathen haben, zu Theil geworden 
sind, auch auf Gesellschaften anderer Art, auf Wohlthätigkeitsgesellschaften, 
auf Gesellschaften zur wissenschaftlichen Ausbildung u. s. w. auszudehnen. 
Es ist dies ein Antrag, den ich mit außerordentlicher Freude begrüßt habe, 
ein Antrag, der einem ganz dringenden Bedürfnisse entspricht, ein Antrag, 
der zurückführt auf die alte Entwickelung des Deutschen Rechtslebens in Ge- 
nossenschaften, ein Antrag, der uns hinweghilft über die großen Schäden, 
die dem Leben der Nation zugefügt sind durch die Theorie der Römischen 
Korporationen und der Römischen Sozietäten. Meine Herren! Der Antrag 
gehört hier in den Norddeutschen Bund, er bezielt Deutschland gleichmäßig, 
er soll nicht bloß für Preußen sein, er soll ganz Deutschland zu gute kommen. 
Wir können den Antrag hier aber vielleicht nicht berathen, — ich will da- 
rüber noch nicht urtheilen, jedenfalls kommen wir in die größten Meinungs- 
verschiedenheiten und Differenzen, wenn wir einen solchen Antrag hier zur 
Berathung nehmen. — So werden tagtäglich immer mehr einzelne Fälle an 
uns herantreten, wo das Bedürfniß der Nation eine gleicharttge gesetzge- 
berische Behandlung erfordert, und in jedem einzelnen Falle werden wir vor 
der Kompetenz stehen, in jedem einzelnen Falle werden wir die Kompetenz, 
wenn wir sie nicht schon in der Verfassung gegeben erachten, durch ein 
Spezialgesetz feststellen müssen in der Hoffnung, daß der Bundesrath mit 
Jweidrittel-Mebrheit zustimmt und der Reichstag mit einfacher Mehrheit. 
Was wird schließlich wohl die Verfassung des Norddeutschen Bundes für 
ein wunderbares Gesicht kriegen, wenn wir ohne die Grundsätze und Grund- 
lagen der Kompetenz in der Verfassung festzustellen, so verfahren, wie hier 
der Bundesrath beim Ober-Handelsgericht rerfahren ist, und so verfahren, 
wie wir bei Gelegenheit dieser anderen eben angeführten Beispiele verfahren 
müssen! Ich kann unmöglich glauben, daß dies etwas Zweckmäßiges sei. 
Meine Herren! Als der Justizminister in Preußen im vorigen Jahre das 
Gesetz wegen der Auflassung dinglicher Rechte vorlegte, da hat glaube ich
	        
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