Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Wagener. 1053 
zu denunziren als solche, die böswilliger Weise die nationale Entwickelung 
hemmen wollen. Meine Herren, es ist das wirklich nicht mehr angebracht; 
wir sind mindestens ebenso patriotisch und national, wie Sie, und ich be- 
haupte, wir sind es zu Zeiten vielmehr gewesen. Also dies ein für alle Mal 
abgemacht! (Heiterkeit.) Nun, meine Heren, der Herr Antragsteller hat 
an die Spitze seiner Auseinandersetzung die Bemerkung gestellt, daß er 
seinerseits die Kompetenz des Reichstages zu dem uns beschäftigenden An- 
trage für so unzweifelhaft hielte, daß er erst dann auf die Kompctenzfrage 
eingehen wolle, wenn dieselbe von irgend einer Seite bestritten würde. Ich 
habe nun meinerseits recht eigentlich zu dem Zwecke die Tribüne betreten, 
um diese Kompetenz nach allen Richtungen zu bestreiten, und zwar, meine 
Herren, befinde ich mich zunächst in der glücklichen Lage, dies thun zu können, 
wie der Lateiner sagt, auctore Twesten. Ich glaube zwar, meine Herren, 
daß diese damalige Deduktion des Herrn Abgeordneten Twesten, die ich 
Ihnen hier mittheilen will, seinen politischen Freunden heute etwas unbequem 
ist. Wir gehen aber von dem Satz aus, daß in der nationalen Fraktion 
Herr Tnesten nicht der schlechteste, sondern — natürlich immer Herr Lasker 
ausgenommen — der beste Jurist ist. (Heiterkeit.) Nun, meine Herren, 
Herr Twesten hat damals über die uns beschäftigende Frage Folgendes ge- 
sagt:') „Es ist ein allgemeiner rechtlicher Grundsatz, geltend im Privatrecht, 
wie im Staatsrecht: Niemand kann sich selbst seine Kompetenz erweitern. 
Eine Kompetenz, die nicht durch die Verfassung dem Bundesrath und dem 
Reichstage beigelegt wird, können sich diese Körperschaften niemals später 
selbst beilegen, wenn es nicht ausdrücklich vorbehalten wird. Daß dies im 
Wege der Verfassungsänderung geschehen kann, das würde ich doch für höchst 
bedenklich halten, denn das wäre allerdings der Weg, durch welchen im 
Wege Rechtens geradezu die kleineren Staaten mediatifirt werden könnten.“ 
Meine Herren, das ist ungefähr der Grundsatz, den ich heute versuchen will 
an der Hand der Verfassungsurkunde mit einigen näheren Citaten Ihnen 
auszuführen. Ich mache Sie dabei zunächst auf den Artikel 23 der Ver- 
fassungsurkunde aufmerksam, worin ausdrücklich die Bestimmung enthalten 
ist: „Der Reichstag hat das Recht, innerhalb der Kompetenz des Bundes 
Gesetze vorzuschlagen" — meine Herren, innerhalb der Kompetenz 
des Bundes. Ich will dann zugleich darauf aufmerksam machen', daß 
der Artikel 78 der Verfassungsurkunde, der von Verfassungsänderungen 
spricht, damals angenommen worden ist in seiner jetzigen Fassung auf Grund 
eines Amendements des Herrn Abgeordneten Lasker, der damals ausdrück- 
lich deduzirte, daß die vom Bundesrath vorgelegte Fassung zu gewissen Be- 
denken und Zweifeln Veranlassung geben könne, und daß er die Absicht 
habe, diese Zweifel durch die Fassung seines Amendements zu beseitigen. 
Er sagte damals’): „Es herrscht bei Vielen ein zweites Bedenken, woelches bis- 
her noch nicht widerlegt worden ist, ein Bedenken aus dem Artikel 23, 
*) Twesten Bd. I. S. 547. Lasker Bd. I. S. 653.
	        
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