Zehmen. 1069
kennen, daß dann ein so umfassendes Gebiet der Justizpflege dem Bunde
überwiesen ist, daß wohl kaum irgend etwas fuͤr die Einzelstaaten übrig
bleiben möchte; und namentlich möchte ich dann auch der Aeußerung des Ab-
geordneten Migquel widersprechen, daß so lange die Gesetzgebung des Bundes
nicht auf das bürgerliche Recht ausgedehnt wird, die einzelnen Staaten Be-
stimmungen für das bürgerliche Recht zu treffen vermögen. Wie soll das
mäglich sein? Wenn das bürgerliche Recht Bundessache ist, so ist die Ge-
setzgebung der einzelnen Staaten auf diesem Felde lahm gelegt. Diese können
sich nicht anmaßen ein dahin einschlagendes Gesetz für sich allein zu erlassen,
weil sie nie wissen, ob der Bund nicht nächstens von seiner Kompetenz Ge-
brauch machen will. Es ließe sich der Fall denken, daß die Ausführung der
Idee des Antragstellers Miquel noch 20 Jahre auf sich warten ließe; dann
würden für diese ganze Zeit die Einzelstaaten lahm gelegt sein. Den kleinen
Staaten würde es dabei nicht um ein Haar besser gehen als dem Staate
Preußen. Da nebenbei von den Herren Antragstellern uns die erfreuliche
Aussicht gemacht worden ist, daß wir mit unter das Berliner Obertribunal
gestellt werden würden, so will ich nur nebenbei erwähnen, daß wir — bei
aller Hochachtung vor diesem höchsten Gerichtshofe — nicht gerade Ursache zu
haben glauben uns hiernach zu sehnen. Die Herren Antragsteller haben ja
selbst vor einiger Zeit recht viele Schattenseiten an dem Obertribunal hervor-
gehoben und Sie können es uns nicht verdenken, daß wir uns nicht so sehr
dafür begeistern können, unter das Berliner Obertribunal gestellt zu werden.
Schon aus diesen Gründen würde ich nicht für den Antrag der Herren Ab-
geordneten Miquel und Lasker stimmen. Jedenfalls werden Sie mir zu-
geben müssen, daß derselbe viel weittragender ist, als die Herren Antragsteller
vorher darzustellen sich bemühten, und daß er entschicden darauf hinausgeht,
die gesammte Justizgesetzgebung den Einzelstaaten zu entreißen, um dieselbe auf den
Bund zu übertragen. — Was die Kompetenzfrage betrifft, so würde es von meiner
Seite unbescheiden sein, dem was der Abgeordnete Wagener gesagt hat. viel hinzuzu-
fügen. Ich möchte aber doch die Herren noch auf zweierlei aufmerksam machen.
Nach Artikel 6 unserer Bundesverfassung kann es vorkommen, daß bei der
Abstimmung im Bundesrathe Preußen in der Minorität bleibt und ich glaube
nicht, daß Preußen dann noch würde sagen können: ich lasse mich nicht
majorisiren. Dann würde doch das Bundesverhältniß aufhören. Das Bei-
spiel, welches gewählt worden ist — daß bereits durch das in Aussicht ge-
nommene Oberhandelsgericht des Bundes die Kompetenzfrage übersprungen
wäre — kann ich nicht als zutreffend erachten. Denn wie damals bei der
Verhandlung über diesen Gegenstand mitgetheilt worden ist, hat über die
Einführung eines solchen Einstimmigkeit im Bundesrath geherrscht. (Wider-
spruch.) Es war erwähnt, daß erst mehr als zwei Drittel dafür gewesen
und dann die anderen Stimmen sich gefügt hätten. Ich glaube gar nicht
prinzipiell widersprechen zu brauchen, daß nicht sehr nützliche Gründe für die
Kompetenzerweiterung nach Befinden für gewisse Gegenstände eintreten könn-