Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1070 1869. AUrt. 4 Ziff. 13. 
ten. Aber, meine Herren, dem möchte ich doch noch entgegentreten, daß der 
Reichstag resp. der Bundesrath nicht ohne Weiteres per majora berechtigt 
sein kann, den Bundesstaat zum Einheitsstaat zu machen; das würde wohl 
mit Recht jener Ansicht entgegengesetzt werden können. Der beste Weg, 
glaube ich, liegt in der Mitte, und da meine ich allerdings, daß die Grund- 
sätze, die der Herr Abgeordnete Wagener vorhin entwickelt hat, den richtigen 
Leitfaden bilden werden. Es hat dem Herrn Antragsteller unmöglich ent- 
gehen können, wie tief diese Anträge in die Eristenz der Einzelstaaten ein- 
greifen und zwar allerdings weniger in das öffentliche Recht, aber desto mehr 
in das Familienrecht, das Erbrecht und das Güterrecht und dergleichen; noch 
tiefer greift aber die Organisation ein. Nun, meine Herren, auf diesem 
Reichstage haben wir eine Reihe von Anträgen gehabt, die alle dasselbe Ziel 
verfolgen, ich muß sie also in einen gewissen innern Zusammenhang bringen. 
Zuerst der von Hagke'sche Antrag, der entschieden über die Bundeskompetenz 
hinausging. Daran reihten sich die Interpretations-Grundsätze des Abgeord- 
neten Friedenthal und Abgeordneten Waldeck, die schließlich ungefähr darauf 
hinausliefen: „wenn das in der Bundesverfassung steht, was wir wünschen, 
so ist uns das angenehm; steht es nicht darin, so thut cs auch weiter nichts, 
dann werden wir uns nicht groß geniren;" — damit kann man frei- 
lich weit gehen, auf dem Wege der Interpretation; aber damit geht 
auch die Bundesversassung zu Ende. An diesen Vorgang schloß sich 
der Antrag über die Redefreiheit in den einzelnen Staaten des 
Norddeutschen Bundes. Meine Herren, dieser Antrag spitzte sich in 
dem Prinzip zu: „wir halten uns berechtigt, in die Verfassungen der einzelnen 
Staaten das Eine hinein zu oktroyiren oder nach Befinden aus denselben 
etwas Anderes heraus zu oktroyiren; ich kann dem Reichstage diese Befugniß 
nicht zugestehen. Hierauf folgte der Antrag Münster-Twesten’'), den wir am 
Freitag diskutirt haben, heut der Antrag Migquel-Lasker, der ungefähr dasselbe 
Ziel verfolgt; und wie ich höre, sollen noch verschiedene andere Anträge, die 
die gleiche Tendenz verfolgen, nämlich die Bundesrerfassung auszubauen, wie 
Sie es nennen, oder vielmehr die Kompetenz des Bundes über seine bis- 
herigen Grenzen zu erweitern, wie ich es nenne, in Aussicht stehen. Aber, 
meine Herren, Sie werden mir zugeben, daß, wenn Sie nun noch Vernal- 
tung und Polizei auch in die Bundeskompetenz hineinziehen, der Zirkel ge- 
schlossen ist und dann weder von Einzelstaaten noch von einem Bunde mehr 
die Rede ist: Sie baben Alles, nur keinen Bund, der ist weg eskamotit. 
Diesen Bestrebungen gegenüber, meine Herren, die ich als eine konsequente 
Tendenzpolitik bezeichnen möchte, muß ich ganz aufrichtig als Sächsischer Ab- 
geordneter erklären: davon will die weit überwiegende Mehrheit in meinem 
Lande nichts wissen. Ich kann darin nur bestätigen, was neulich schon in 
dieser Hinsicht von anderen anwesenden Sächsischen Mitgliedern dieses Hauses 
gesagt worden ist: — und daß ich darin wahr spreche, davon kann sich Jeder 
*) Siche unten Anmerkung zu Artikel 17.
	        
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