Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Dr. Windthorst. 1079 
verfassung wesentlich entstanden auf dem Wege des Vertrages, der Vertrag 
hat die Basis und die Grenzen derselben bezeichnet. Sowohl in der Vor- 
lage Preußens vom 14. Juni 1866 an den damaligen Bundestag als in 
den nachherigen Verträgen ist ausdrücklich die bestimmte Grenze angegeben; 
diese in den Kompetenzbestimmungen sich aussprechende Grenze ist nachher 
in einzelnen Punkten ausgedehnt auf Antrag der Versammlung, die man 
in der Regel als die konstituirende bezeichnet, — was unrichtig ist: sie 
war lediglich eine berathende: — sie ist aber ausgedehnt im Einver- 
ständniß aller Regierungen und unter Zustimmung aller Landesvertre- 
tungen. Nun sagt man: ja, so lange es sich um diese Konstituirung han- 
delte, war es ein Vertrag, der Vertrag hörte auf, als die Verfassung begann. 
Nein, meine Herren, die Verfassung ist gegeben zur Handhabung dessen, 
was als Objekt der Thätigkeit des Bundes, als seine Kompetenz paktirt 
war, und bewegt und beschränkt sich auf diesen und nur auf diesen Boden. 
Analog — nicht vollständig gleich — aber analog im entscheidenden Punkte ist 
es z. B. bei einer Aktiengesellschaft. Wenn für eine Aktiengesellschaft ein 
bestimmt begrenzter Zweck hingestellt und für dieselbe eine Verfassung ge- 
geben wird, so kann ohne Zweifel die Gesellschaft diese Verfassung auf dem 
Wege ordnen, auf dem die Statuten es bestimmen, aber die Grundlage der 
Gesellschaft selbst kann nicht geändert werden, ohne den Weg zu beschreiten, 
auf dem die Gesellschaft selbst konstituirt worden ist. Meine Herren, die 
Vertragsnatur bleibt immer und wesentlich die Grundlage der Verfassung 
des Norddeutschen Bundes. Es ist dieselbe nicht eine Verfassung eines all- 
gemeinen über die einzelnen dazu gehörenden Staaten hingestellten 
Staates, sondern es ist die Verfassung des Bundes, also des Vertrages 
und des streng begrenzten Inhalts, welcher in der Verfassung niedergelegt 
ist. Es heißt in der Urkunde ausdrücklich: „Dieser Bund wird den Namen 
des Norddeutschen Bundes führen und wird nachstehende Verfassung haben."“ 
Was ist der Inhalt des Bundes anderes als die Summe derjenigen Rechte, 
welche die Einzel-Souverainetäten an das Ganze abgegeben haben? Zur 
Handhabung dieser von den einzelnen Sonverainetäten abgegebenen Theile, 
zur Handhabung dieser abgegebenen Sonverainctätstheile auf dem Wege der 
Gesetzgebung und der Erekutive ist diese Verfassung gemacht und, in so fern 
Sie auf dem Boden bleiben, kann sie abgeändert werden auf dem 
Wege von Artikel 78. Wollen Sie aber weitere Rechte von den einzelnen 
kontrahirenden Sourerainetäten heranholen, dann müssen Sie diese erst 
fragen; und dazu gehören die Regierungen und die einzelnen Landtage. 
Anders kann auch die Absicht der kontrahirenden Regierungen nicht gewesen 
sein. Die im Nordbund vereinigten souveränen Fürsten und freieu Städte 
haben — durch die Ereignisse gezwungen oder freiwillig — einen Theil 
ihrer Souveränetätsrechte an den Bund übertragen, damit sie die andern 
behielten, diese sicherten. Wie in aller Welt ist es denkbar, daß sie den 
Organen für die abgetretenen Souveränetätsrechte das Recht hätten geben
	        
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