Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Dr. Windthorst. 1081 
werden könnten, — es waren diese nicht mitgetheilt, und es sind dieselben 
alse auf die Beschlüsse des Abgeordnetenhauses offiziell und erkennbar nicht 
von Einfluß gewesen, sondern nur der Bericht des Referenten. Dieser be- 
stellte Berichterstatter hat nun — ich referire wörtlich, weil ich glaube, daß 
das nothwendig ist, um die Dinge klar zu stellen — Folgendes über die 
bier in Frage befindliche Seite der Sache gesagt: „Zweifelhaft kann die 
Frage sein, ob die Bundesgewalt berechtigt ist, ihre Kompetenz über die 
gegenwärtigen Bestimmungen der Bundesverfassung zu erweitern. Im Reiche- 
tage hat keine eingehende Erörterung dieser Frage stattgefunden.“ Das re- 
ferirte der Berichterstatter des Abgeordnetenhauses: es hat im Reichstage 
keine eingehende Erörterung dieser Frage stattgefunden! „Hin und wieder 
sind Aeußerungen gefallen, als ob dieses zulässig wäre. Meines Erachtens, 
meine Herren, — sagt er weiter — ist das staatsrechtlich nicht zulässig: 
Niemand kann sich selbst die Grenzen seiner Kompetenz erweitern. Soweit 
die bestehenden Verfassungen der Einzelstaaten und darunter vornehmlich auch 
unfre Verfassung nicht geändert sind, soweit können sie nicht ohne Zustim- 
mung der Einzelstaaten weiter geändert werden. Will also der Bund seine 
Kompetenz erweitern, so würde meines Erachtens auf legalem Wege nichts 
anderes übrig bleiben, als zu solchen Kompetenzerweitcrungen abermals, sei 
es vorher oder nachher, die Zustimmung der gesetzgebenden Gewalten der 
einzelnen Staaten einzuholen. Wollte man das nicht annehmen, so könnten 
durch Akte der Bundesgewalt die einzelnen Staaten mediatisirt werden, den 
einzelnen Staaten jede weitere Kompetenz entzogen werden. Solche Kom- 
petenzerweiterungen können meines Grachtens auch nicht damit gerechtfertigt 
werden, daß der Bundesgewalt eine gewisse Kompetenz in Betreff der Ver- 
fassungen der Einzelstaaten beigelegt ist, nämlich im Artikel 76. Aber ich 
meine, eine Bestimmung, welche die Entscheidung von Verfassungsstreitig- 
keiten in die Hände der Bundesgewalt, d. h. des Bundesrathes und des 
Reichstages, legt, kann unter keinen Umständen dahin ausgelegt werden, daß 
der Bund berechtigt wäre, Aenderungen in den Verfassungen der Einzel- 
staaten vorzunehmen. Streitigkeiten entscheiden gibt nicht das Recht, un- 
zweifelhafte Verfassungsbestimmungen zu ändern, und eine Ausdehnung 
der Kompetenz kann dadurch nicht gerechtfertigt werden.“ Meine Herren, diese 
Aeußerung des Herin Referenten ist im Abgeordnetenhause wohl verstanden, denn 
die Abgeordneten Waldeck und Virchow haben darauf Bezug genommen und haben 
wesentlich nur geglaubt, daß vielleicht, wie der Abgeordnete Virchow meinte, 
Einer oder der Andere wohl einmal eine andere Ansicht bethätigen könnte, 
und der Abgeordnete Waldeck, indem er meinte, das möge ganz denkbar sein, man 
habe nur kein Mittel in der Verfassung gegen mögliche, zu weit greifende 
Tendenzen des Reichstages sich zu schützen: — aber ein Bedenken gegen die 
Richtigkeit der von dem Berichterstatter Twesten aufgestellten Sätze ist von 
keinem Abgeordneten, insbesondere auch nicht von dem Abgeordneten Lasker, 
der am weitesten in dieser Kompetenzfrage geht, ungeachtet der glänzenden
	        
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