Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Dr. Braun. 1087 
die Schweiz keine Veränderung ihrer Verfassung vornehmen können ohne die 
Zustimmung jedes einzelnen Kantons, jeder einzelnen Kantonsregierung, jeder 
einzelnen Kantonsvertretung, jeder einzelnen Staaten= und Territorienregie- 
rung und der Volksvertretung in jedem einzelnen Staate und in jedem ein- 
zelnen Territorium. Dem ist nicht so. Es sind dort Modalitäten festgestellt, 
wodurch das liberum veto der Einzelnen vollständig eliminirt ist; — es 
finden z. B. Staaten= und Urabstimmungen statt und dergleichen, aber es 
hat nirgend cin einzelner Staat oder ein einzelner Kanton das absolute 
Recht des Veto's gegen jede Aenderung der Kompetenz, — sie werden ma- 
jorisirt. — Die Theorie, daß dem so sei, die ist in Amerika nur vertheidigt 
worden von den Niggerzüchtern und in der Schweiz um von den Anhängerm 
des Sonderbundes, die damals vielleicht Recht hatten, nämlich vor der Ver- 
fassung rom Jahre 1848, jetzt aber nur noch von den glücklicher Weise 
sehr versprengten und vereinzelten Ueberbleibseln, die heute, wenn sie die 
Theorie von vor 1848 wieder aufstellen, im offenbarsten Unrechte sind. 
Es ist diese ganze Theorie weiter nichts als eine Negation des Nord- 
deutschen Bundes. Man kann den Norddeutschen Bund nicht zerstören, 
weil man die Macht dazu nicht hat; deshalb aber will man ihn zurück- 
schrauben auf den Standpunkt des alten Bundestags. (Sehr richtig! links.) 
Das ist die Richtung, in der sich die Ausführungen des Herirn Abgeordneten 
Windthorst bewegen, und die Ausführungen des Herrn von Zehmen des- 
gleichen. (Sehr gut! links.) Man will den Norddeutschen Bund mediatisiren 
unter die Territorialgewalten; und wenn man das fertig gebracht hat, dann 
ist der Bundesrath keine politische Körperschaft mehr sondern eine einfache 
Gesandtenkonferenz, und der Bundeskanzler ist nichts weiter als der Brief- 
träger dieser Gesandtenkonferenz, der Vollstrecker ihrer Beschlüsse, falls über- 
haupt ein so mißschaffener Körper im Stande sein sollte Beschlüsse zu fassen. 
Dahin führen die Theorien des Herrn Abgeordneten Windthorst. Ich wende 
mich nunmehr zu Herrn von Zehmen. Ich kann nicht auf alle seine Aus- 
führungen antworten, ich will mich nur an einen Gegenstand balten, nämlich 
an seinen Traktatus über den „verdrießlichen Bundcsgenossen", der für mich 
in seinen Auseinandersetzungen der frappanteste war. Er hielt diesen Trak- 
tatum gleichsam mandatario nomine in seiner Eigenschaft als eine Ver- 
körperung des Königreichs Sachsen, das er wiederholt in seiner Rede hervor- 
hob. Ich bin nun nicht geneigt, mich in den inneren sächsischen Krieg zu 
mischen, aber daß derselbe vorhanden ist, muß ich doch konstatiren; denn in 
demselben Augenblick, wo Herr von Zehmen uns so beweglich im Namen 
des Königreichs Sachsen bittet, wir möchten doch einhalten, wir möchten 
doch nicht weiter auf dieser verderblichen Bahn fortschreiten, wir möchten 
nicht in die Gerichtsorganisation, nicht in die Rechtsverhältnisse eingreifen, 
und ein paar Tage später, nachdem der Sächsische Minister Herr von Friesen 
uns ein „Bis hierher und nicht weiter!“ entgegen gedonnert hat — ich 
*) S. unten Aumerkung zu Art. 17.
	        
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