Ackermann. 1119
bloß von Denjenigen, welche die Kunst kennen zu wissen, was Recht ist,
sondern auch von denen, welche die Kunst üben zu thun, was Recht ist,
wer wird dem widersprechen! Ich gewiß nicht, denn ich gehöre selbst zu
Denjenigen, die dieses Ideal in sich getragen haben und noch tragen, und ich
habe noch überdies in der Praris durch die Erfahrung sattsam gelernt, daß
ein einheitliches Recht nach allen Seiten hin in Deutschland wünschens-
werth sei. Aber, meine Herren, man kann von der Schönheit, man kann
von der Nützlichkeit einer Idec überzeugt sein und man weiß doch nicht, wie
man es anfangen soll. um die Idee zu nutzen. In dieser Lage befinde ich
mich heute und in dieser Lage habe ich mich befunden, wie der Antrag auf
Einführung der Bundesministerien vorlag, und in dieser Lage werde ich
mich allemal befinden, wenn es sich um Erweiterung der Kompetenz des
Bundes handelt. Es ist die Frage: ob der Reichstag und Bundesrath
kompetent seien, derartige Erweiterungen vorzunehmen, wie sie von dem vor-
liegenden Antrage bezweckt werden, — bereits bei der ersten Berathung näher
erörtert worden und wir haben auch beute wieder von den vorausgegangenen
Rednern gehört, daß sie diese Seite der Frage zum Gegenstand ihrer Er-
örterung gemacht haben. Ob solche Erörterungen angenehm oder unan-
genehm sind, darauf kommt nichts an; das ändert Nichts an der Verpflich-
tung in die Erörterung über die Kompetenz des Bundes einzugehen. Num,
meine Herren, komme ich aber in dieser Beziehung aus denselben Worten
der Verfassung, die ein Vorredner angeführt hat, auf ein ganz andercs Re-
sultat, als jener. Die Verfassung sagt nämlich in ihrem Eingange wörtlich,
die dort aufgeführten Deutschen Sonveräne und Deutschen Reichsstädte haben
einen ewigen Bund geschlossen außer Anderem zum Schutze des innerhalb
des Bundesgebiets giltigen Rechtes. Die nächste Frage ist also die: was ist
denn das für ein Recht, welches innerhalb giltig ist und zu dessen Schutz
die kontrahirenden Mächte zusammengetreten sind? Darauf giebt der Artikel
4 der Verfassung klare Antwort, denn dieser bezeichnet eben die Gegenstände,
welche der Gesetzgebung des Bundes unterliegen, zu deren Erreichung, zu
deren Ausbildung die Kontrahenten im Interesse der Gesammtheit Einzelbe-
fugnisse aufzugeben bereit waren. Dieser schreibt den Rahmen vor, inner-
halb dessen die Bundesgesetzgebung thätig sein kann und thätig sein soll, so
viel sie will. Was darüber hinausliegt, das ergiebt sich nicht aus dem Ein-
gange der Verfassung und aus dem Artikel 4 selbst. Nun ziehen sie zwar
noch Artikel 78 der Verfassung heran. Der Artikel 78 ist, da er von der
Abänderung der Verfassung handelt, da er ein Artikel ist, der tief ein-
schneidet in die Fundamentalbestimmung des abgeschlossenen Vertrages, ge-
wiß nicht erxtenfiv, sondern restriktiv zu erklären. Der Artikel 78 giebt aber
dem Reichstag und dem Bundesrath nur das Recht Veränderungen der Ver-
fassung rorzunehmen. Unter dem Worte „Veränderungen“ ist wenigstens
nicht ohne weiteres Erweiterung der Verfassung, Erweiterung der Kompe-
tenz zu verstehen. Gerade diejenigen Herren, welche sich interessiren für das