Lasker. 1125
werden wir uns nimmermehr verstehen, wird es nicht möglich sein, ruhige
Debatten zu führen. Ich versichere dem Herrn Grafen Bassewitz, daß viele
von ihm vertretene Meinungen derartig sind, daß ich auch nicht das geringste
Verständniß für sie habe, daß ich kaum verstehe, wie es möglich ist, logisch
seinen Gedankengang zu machen, ohne die Verhältnisse zu verkennen, welche
gegenwärtig herrschend sind. Nichtsdestoweniger traue ich keinen Hinterge-
danken dem Herrn Grafen Bassewitz zu, sondern ich erkenne die Verschieden-
artigkeit der Ideenkreise an, und unsere Debatten in diesem Hause haben
auch die Absicht, daß wir uns wechselseitig aussprechen und nach und nach
besser verstehen lernen. Wenn ich im konstituirenden Reichstage gemeint
habe, daß augenblicklich die Gesetzgebung noch nicht drängt zur Ausdehnung
der Gemeinsamkeit auf andere Gebiete des Rechts, so bin ich seitdem eines
Andern belehrt worden. Seitdem Vorschläge zu Gesetzen und Anträge wieder-
holt auf den Einwand der Inkompetenz gesteßen und wir gezwungen ge-
wesen sind, auf der schmalen Linie zwischen Kompetenz und bestrittener Kom-
petenz uns zu bewegen, — seitdem habe ich für nothwendig gehalten, daß wir
offen und ehrlich das Fundament darlegen, damit wir bei gewöhnlichen tech-
nischen Gegenständen nicht so aufgeregte Debatten wie gegenwärtig führen.
Ich frage aber Sie, meine Herren von der konservativen Partei, und die
anderen Herren, welche mit ihrer Regierung gern Hand in Hand gehen und
die Stellung der Regierungen gern acceptiren: Wirkt auf Sie nicht das
Beispiel der Königlich Sächsischen Regierung Hat deren Vertreter nicht
ausdrücklich erklärt, daß sie, um die Erweiterung der Kompetenz für den
Handelsgerichtshof herbeizuführen, die Zweidrittel-Majorität im Bundesrath
ertrahirt hat, und wollen Sie nun diesem Verfahren gegenüber sämmtlichen
Regierungen des Bundesraths den Vorwurf machen, daß sie die einzelnen
Staaten mediatisiren wollen und zum Bruch der Vertragstreue hindrängen?
Den Vorwurf, den Sie uns machen, richten Sie indirekt gegen die Re-
gierungen und Sie machen ihnen den Vorwurf, daß sie aus Nützlichkeit das
Prinzip des öffentlichen Rechts fälschen und umgehen. Oder wenn von ein-
zelnen Mitgliedern des nachsichtiger Weise — und zwar von solchen Mitgliedern,
welche einer Fraktion angehören, in der die Sächsischen Mitglieder zahlreich
vertreten sind, — wenn von diesen Mitgliedern eine Theorie improvisirt wird,
wonach ein Theil der Justizorganisation in unserer Kompetenz liegt, ein
anderer Theil der Justizorganisation aber nicht in unfrer Kompetenz liegen
soll: ist dies eine würdige Stellung für den Reichstag? Ist es würdig oder
rathsam, die Theorie über die Kompetenz nach Gelegeuheit und Nothwendig-
keit zu modeln? Die Sächsische Regierung hat Zeugniß dafür abgelegt, daß
eine Ausdehnung der Kompetenz nothwendig ist und daß wir dieselbe auf
verfassungsmäßigem Wege herbeizuführen haben. Deswegen scheint es mir
nicht gut gethan, daß Mitglieder der konserrativen Partei, Mitglieder aus
Preußen, sich so leicht in die verfängliche Theorie der Inkompetenz haben
einfangen lassen, daß sie zugestimmt haben, weil sie gegen unsern Antrag
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