Kantt. 1127
Die dritte Berathung des Antrags hatte Statt in der 35. Sitzung
des Norddeutschen Reichstages vom 5. Mai 1869.)
Graf von Kanitz (Preußisch Holland-Mohrungen)“): Meine Herren!
Die vielseitige Unterstützung, welche diesem Antrage von vornherein zu Theil
geworden ist, und die ganzen Verhandlungen bei der ersten und zweiten Be-
rathung lassen das Ergebniß der endgiltigen Abstimmung mit Sicherheit
voraussehen. Ich mäöchte hier nur eine Bitte wiederholen, welche bereits in
der Generaldebatte ausgesprochen worden ist, nämlich daß Sie die dissenti-
renden Mitglieder nicht für Partikularisten halten wollen. Das ist nicht
unser Standpunkt. Wir werden nur deshalb gegen den vorliegenden Be-
schluß stimmen, weil wir den darin bezeichneten Weg nicht für den geeigneten
halten, um zu unserem gemeinsamen Ziele zu gelangen. Die materiellen
Bedenken, welche dem vorliegenden Antrage entgegenstehen, sind bereits von
Fachjuristen so gründlich erörtert, daß es nicht meine Aufgabe sein kann
darauf näher einzugehen. Ebenso wenig will ich die Kompetenzfrage berüh-
ren, nachdem dieselbe so vielseitig erörtert worden ist. Ich will mich ledig-
lich auf die Frage beschränken: werden wir von diesem einseitigen Vorgehen
des Reichstages — mag er dazu kompetent sein oder nicht — wirklich eine
gedeihliche Förderung der Bundesinteressen zu erwarten haben? Meine Herren,
wir glauben die Frage verneinen zu müssen. Wenn wir eine engere Kon-
solidation unserer Bundesinstitutionen anstreben wollen, so kommt es in der
Hauptsache darauf an, daß sich auch die verbündeten Regierungen mit diesen
Aenderungen und im vorliegenden Falle zu einem weiteren Aufgeben ihrer
partikularen Rechte sich einverstanden erklären. Ohne diese Zustimmung kann
kein Beschluß des Reichstags zur Ausführung gebracht werden. Ein Opfer
wird aber viel leichter gebracht, wenn es freiwillig ist und aus eigener Ueber-
zeugung von der Nothwendigkeit herrorgeht, als wenn es gefordert wird.
Die Fürsten des Norddeutschen Bund haben diesen Bund mit Aufopferung
und gutem Willen gegründet; sie werden das auch ferner bei seiner Fort-
entwickelung thun müssen, sie werden nicht auf halbem Wege stehen bleiben
können. Aber wir erschweren ihre Aufgaben nur und sie werden sich ganz gewiß
nicht zu neuen Zugeständnissen bereit finden lassen, wenn wir sie beständig
an ihre Pflicht erinnern, wenn sie von hier aus fortwährend gedrängt und
getrieben werden. Der Bundesrath hat sich über die Stellung, welche er in
dieser Frage einzunehmen gedenkt, noch nicht ausgesprochen. Nach den Er-
klärungen, welche wir bei Gelegenheit des Twesten-Münster'schen Antrages
gehört haben, glaube ich mit Bestimmtheit annehlmen zu können, daß der
Bundesrath, mit Bezug auf den vorliegenden Antrag, den desfallsigen Be-
schluß ebensowenig zum Austrag bringen werde. Wir versetzen die Preußische
*) St. B. S. 833 r. u. (Bd. II. der St. B.)
“) St. B. S. 834 U o.