Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1130 1871. I. Session. Art. 8. 
wird. Vor allem bedarf es hierzu aber einer einhcitlichen und konsequenten 
Regierung. Wir dürfen die Regierungsgewalt und die Initiative in dem 
Werk der Einigung nicht auf eine Korporation übertragen, welche niemals 
eine konsequente Staatsgewalt wird repräsentiren können. Es ist dies eine 
unmögliche Aufgabe für eine legislative Korporation, welche sich alle drei 
Jahre neu zusammensetzt und deren Majorität in eben so kurzen Perioden 
nach der einen oder anderen Seite hin schwanken kann je nach der herr- 
schenden politischen Strömung. Wenn wir unsere Aufgabe hier richtig 
auffassen, müssen wir uns vor jedem Schritte hüten, welcher uns direkt oder 
indirekt einem solchen Zustande entgegenführen könnte. Auch im vorliegenden 
Antrage erblicke ich nur einen weiteren Schritt nach dieser Richtung und 
deshalb bitte ich ihn abzulehnen. (Heiterkeit.) 
Bei der Abstimmung wurde der Antrag Migquel-Lasker eben- 
falls wie in der zweiten Berathung mit der großen Mehrheit angenom- 
men'’). 
Art. 8. 
Greil (Passau)“""): Meine Herren, Sie haben so eben durch die Ab- 
stimmung über unsern Antrag“' )konstatirt, daß Sie blos die redaktionelle Ge- 
staltung der Reichsverfassung anzunehmen gesonnen seien. In Artikel 8 ist 
eine Erweiterung der betreffenden Verträge enthalten. Es ist nämlich das 
Zugeständniß, welches Baiern, Sachsen und Würtemberg in Betreff des diplo- 
matischen Ausschusses gemacht worden ist, fallen gelassen und dafür die Wahl 
zweier neuer Mitglieder in den Ausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten 
angeordnet. In der Motivirung heißt es, daß dies stattgefunden habe auf 
Grund des Wunsches einiger anderen Bundesstaaten, und daß die baierischen 
Bundesraths-Mitglieder bereitwillig ihre Zustimmung dazu gegeben haben. 
Ich, meine Herren, muß bekennen, — und soviel ich nach Rücksprache mit 
einigen meiner baierischen Fraktionsgenossen gesehen habe, kann ich die Ge- 
sammterklärung abgeben — daß wir einer solchen Erweiterung der Kompetenz, 
wie sie jetzt schon in diesen neuen Bestimmungen enthalten ist, unsere Zu- 
stimmung nicht geben können und nicht geben werden. 
*) St. B. S. 835 l. m. Deferirt wurde dem Antrage nicht und ist Ziff. 13 des 
Art. 4 der Verfassung von 1867 unverändert in die Verfaffung von 1871 herülberge- 
nommen worden. 
*) St. B. S. 156 l. o. 
½%) S. oben S. 1010.
	        
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