1142 1869. Art. 17. Verantwortliche Bundesminifterien.
Ministerverantwortlichkeit gerichteten Antrags in dem gegenwärtigen Zeit-
punkt dem Ministerium ein verletzendes Mißtrauensvotum entgegen tragen
will.“ Meine Herren, ich erkläre, daß es von mir und ich glaube von allen
meinen politischen Freunden weit abliegt dem Herrn Bundeskanzler ein Miß-
trauensrotum geben zu wollen, überhaupt irgend einen Angriff gegen ihn zu
richten. Das kommt uns gar nicht in den Sinn! Wenn der Antrag dem
Herrn Bundeskanzler vielleicht nicht ganz bequem im jetzigen Zeitpunkte ist,
so steht das doch, meine Herren, fern von der Absicht, irgendwie anzugreifen
oder zu verletzen! Die Federn und die Ansichten, die das behaupten, daß
der Antrag gegen den Herrn Bundeskanzler gerichtet wäre, die da von Miß-
trauensvotem und von revolutionären Dingen sprechen, die vergessen, daß
die Preußische Verfassung nicht bloß Minister kennt, sondern verant-
wortliche Minister, daß sie die Ministerverantwortlichkeit ausdrücklich in
ihren Hauptgrundzügen vorschreibt, daß diese in Preußen erxistirt, wenn sie
auch nicht anwendbar ist wegen des fehlenden Ministerverantwortlichkeits-Ge-
sctzes. Also, meine Herren, von dem Standpunkt ausgehend, daß ich in keiner
Weise beabsichtige irgend einen Angriff gegen den Herrn Vundeskanzler zu
thun, weise ich darauf hin, daß alle staatlichen Organismen, alle wirklichen
Staatsorganismen in der That Minister haben. Der ehemalige Deutsche
Bund, der zu Grunde gegangene Deutsche Bund, — der hatte allerdings keine,
meine Herren, aber er war auch kein Staatsorganismus, er war eine lose
Verbindung von einzelnen Staaten, die innerhalb eines halben Jahrhunderts
es nicht einmal zu einer brauchbaren einheitlichen Deutschen Armee gebracht
hat! Seine Haupxtleistungen liegen hauptsächlich auf dem Felde der Dema-
gogenverfolgungen, der Einschränkungen, der volksfeindlichen Schritte. Meine
Herren, wir beabsichtigen das Gegentheil eincs Angriffes gegen den Bundes-
kanzler, wir meinen es ehrlich mit dem Werke, welches er geschaffen hat und
woran wir mitgearbeitet haben, wir wünschen die Fortbildung, die Ausbildung
dieses Werkes, nicht eine Ueberstürzung, aber auch keinen Stillstand! Denn
der Stillstand, meine Herren, im organischen Leben ist bereits der Rück-
schritt, das ist bereits die Rückbildung, und ich fürchte, wir sind einem ge-
wissen Stillstand schon verhältnißmäßig nahe gekommen. Meine Herren, ich
kann nicht unterlassen, hier eine Parallele zu ziehen, die ich bereits an einem
andern Orte kurz erwähnt habe. Wir befinden uns im umgekehrten Zu-
stande wie die Nationalversammlung, der Reichsverweser und die Reichs-
minister in Frankfurt am Main 1848 und 1849. Dort gab es einen Reichs-
verweser aber kein Reich, und was da war, ist allerdings verwest; es gab
einen Kriegsminister aber keine Dentsche Armee; es gab einen Justizminister,
dem aber keine Richter gehorchten; es gab einen Finanzminister, der keine
Fonds und kein Geld hatte; es gab einen Marineminister, der einige Schiffe,
die zum Kriegsdienst verhältnißmäßig unbrauchbar waren, kaufte, darum
aber noch keine Marine hatte; und es gab einen Auswärtigen Minister, der
den Versuch machte einen Gesandten nach Paris zu schicken, wo derselbe