Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Unruh. 1145 
Zustimmung dazu gegeben, daß die Aufsicht über die Eisenbahnen im All- 
gemeinen, über das Tarifwesen, auf den Bund übertragen wurden. Nun, 
meine Herren, können Sie doch den Preußischen Finanzminister nicht unter 
die Beamten des Bundeskanzler-Amtes stellen, und der Herr Bundeskanzler 
mag, wie ich schon anerkannt habe, noch so tüchtig sein und noch so Außer- 
ordentliches leisten: Eisenbahnmann ist er doch nicht. Hätten wir einen 
Minister für die Verkehrsanstalten beim Bunde, dann träten die Preußischen 
Staatsbahnen und die Staatsbahnen in allen andern zum Bunde gehörigen 
Staaten dem Bunde gegenüber einfach in die Kategorie der Privatbahnen. 
Der Bundesverkehrsminister hätte die Aufsicht über alle. Damit würde 
jeder Uebelstand beseitigt sein. Das würde aber nicht zu erreichen sein, wenn 
Sie keinen Minister am Bunde haben. Es ist auf die Schwierigkeiten hin- 
gewiesen worden, die in der Personenfrage liegen. Man sagt, es würde sehr 
schwer halten, gute. Bundesminister zu finden, und wenn man welche hätte 
und der eine und der andere sich nicht bewährte, so würde es ebenso schwierig 
sein, ihn wieder zu entfernen. Ja, meine Herren, ich habe sogar von libe- 
raler Seite die Aeußerung gehört: „was hülfe es uns, wenn einzelne Preußi- 
sche Minister hier auch Bundesminister würden?" Meine Herren, ich meine, 
Staatsorganisationen können nicht vorne weg von der Personenfrage abhängig 
gemacht werden. Man mag das in der Privatindustrie thun; da mag man 
manches gute und nützliche Unternehmen bei Seite schieben, weil die geeig- 
neten Personen fehlen, aber die Organisation für den Staat muß zunächst 
die Personenfragen bei Seite lassen. Es ist ja möglich, daß bei der besten 
Organisation ungeeignetc Minister an die Stelle kommen, das haben wir 
abzuwarten, wir hätten dann geeignete Schritte zu thun, so weit unsere Be- 
fugniß geht. Eine Organisation jedoch deshalb zu unterlassen, weil man 
fürchtet, daß ungeeignete Personen in die Stellung einrücken könnten, halte 
ich für unbegründet und für ein bedenkliches und gefährliches Prinziw. Es 
kann ferner eingewandt werden: ja warum hat denn der konstituirende Reichs- 
tag nicht von Hause aus Bundesminister eingeführt oder — der Name ist 
ja, wie schon der Abgeordnete Twesten gesagt hat, gleichgiltig — verantwort- 
liche Verwaltungschefs? Nun, meine Herren, ich bin dabei nicht betheiligt; 
denn ich habe trotz der Erklärung des Herrn Bundeskanzlers und trotz meiner 
ernsten Absicht, ihm keine Hindernisse zu bereiten und trotzdem ich die Ehre 
hatte seine persönlichen Ansichten in diesem Punkte zu kennen, — für die ver- 
antwortlichen Verwaltungschefs gestimmt. Wir wurden überstimmt. Aber 
auch für Diejenigen, welche dies nicht gethan haben, kann man doch mit 
vollem Rechte anführen, man wollte die Bundesverfassung nicht in den 
Brunnen fallen lassen. Das Bedürfniß, etwas zu schaffen, nicht wieder einen 
verfehlten Versuch zu machen, war so dringend, daß man sich vieles gefallen ließ, 
was man unter andern Umständen nicht hätte thun können. Aber, meine Herren, 
die Zeit ist jetzt herangerückt. Wir haben jetzt zwei Jahre hinter uns seit
	        
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