Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Wat dors. Lasker. 1187 
organische Einrichtung legt: meine Herren, wenn wir von 1815 bis 1866 
nicht die Erfahrungen gemacht hätten, so hätten wir unsere Verfassung von 
heute auch nicht: Erfahrungen müssen wir machen, und zu den idealeren 
Zielen, die in Aussicht sind, werden wir erst dann kommen, wenn wir das 
Fundament dazu gelegt haben. Ich kann jetzt den Antrag für irgendwie 
annehmbar durchaus nicht halten. 
Abgcordneter Lasker (Eisfeld-Sonneberg r. [Meiningen])“): Meine 
Herren, wie auch das Resultat der hentigen Debatte ausfallen mag, so freue 
ich mich doch über die Klärung, die schon bis jetzt stattgefunden hat. Vor 
ungefähr zwei Jahren haben wir denselben Antrag diskutirt, er war von 
unserer Seite gestellt, es wurde ein gleicher Widerstand seitens des Herrn 
Bundeskanzlers geleistet, und das Resultat war, daß der Antrag mit 127 
Stimmen gegen 126 Stimmen abgelehnt wurde"“). Wir haben aber bei der 
Annahme der Verfassung niemals ein Hehl daraus gemacht, daß wir auch 
in Zukunft auf diejenigen Mängel immer wieder zurückkommen wollen, 
welche wir um des Verfassungswerkes willen im Ganzen uns haben gefallen 
lassen, und irre ich nicht, so ist von dem Herrn Bundeskanzler selbst an uns 
die Mahnung ergangen, wir möchten doch, während über die Verfassung 
selbst berathen würde, von dem Widerstand abstehen und später auf dem 
ruhigen und sicheren Voden den Gegensatz der Ideen zum Austrag bringen. 
Seitdem hat sich nichts verändert und deswegen sind wir vollberechtigt 
gewesen unsern Antrag wiederum auf die Tagesordnung zu bringen. Ich 
bin erfreut, daß er jetzt nicht nur in unsern Reihen sondern noch viel mehr 
nach rechts hin vollen Beifall findet, und ich bin nicht bloß darüber er- 
freut sondern noch weit mehr, daß in der Praxis des Verfassungslebens die 
Entwickelung angedeutet ist, daß wir dahin kommen müssen, wohin unser 
Antrag strebt. Meine Herren, mir ist aus einem zweiten Grunde die heutige 
Diskussion des Antrages willkommen, weil die frühere Debatte die Gegen- 
sätze in Unklarheit gelassen hat. Ich erinnere mich noch keiner Rede, die so 
wenig mir und vielen meiner Freunde ein Verständniß der letzten Absicht 
des Redners beigebracht hätte, als diejenige Rede, welche der Herr Bundes- 
kanzler damals über die Ministerverantwortlichkeit gehalten hat, und wir 
haben damals dieses unser Nichtverständniß offen ausgesprochen. Heute 
kommt klar zum Vorschein, worin dieser Gegensatz eigentlich besteht. Alles, 
was der Herr Bundeskanzler über die Einheit Deutschlands, üher die Decen- 
tralisation, über den berechtigten Partikularismus, über andere schöne Deutsche 
Eigenschaften gesagt, habe ich mit großem Vergnügen zu meiner Belehrung 
angehört und ich habe mich gefreut, Gedanken wiederholt zu hören, die 
namentlich auf unserer Seite sehr geläufig sind. Aber, meine Herren, alle 
diese Punkte hängen nicht zusammen mit der Frage, ob in dem Bunde der 
*) St. B. S. 409 l. o. 
“) Bd. U S. 724. 
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