Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Hagle. 1197 
wie ich ausdrücklich betone nicht erst gleichzeitig mit dem Reichstage, son- 
dern bereits seit Monaten in Funktion getretenen Landtag des Königreichs 
Sachsen und durch das gleichzeitige Versammeln der Preußischen Provinzial- 
landtage mit dem Reichstage, diesem hohen Hause sehr viele Mitglieder ent- 
zogen worden sind. Ich vermag indeß, meine Herren, hieraus weder der 
Königlich Sächsischen noch der Königlich Preußischen Regierung irgend welchen 
Vorwurf zu machen, denn der beregte Mißstand liegt ja wesentlich in der 
Neuheit, in der Unfertigkeit unserer Verhältnisse, er liegt in der Nothwendig- 
keit die Gesetzgebung und Verwaltung der einzelnen zum Norddeutschen 
Bunde gehörigen Staaten nach den vom Reichstage beschlossenen Gesetzen 
und gegebenen Normen zu regeln, also in der Nothwendigkeit die einzelnen 
Landtage öfter und für längere Zeit zusammenzuberufen, als es der Fall sein 
würde, wenn wir uns nicht in den Stadien der Entwickelung unserer Ver- 
hältnisse befänden, sondern bereits in das gewähnliche Fabrwasser eingelaufen 
wären. Ebenso muß ich bemerken, daß der Königlich Preußischen Regierung 
aus der gleichzeitigen Berufung der Provinzial-Landtage mit dem Reichstage 
gewiß auch kein Vorwurf zu machen ist. Durch den mehrmaligen Zusammen- 
tritt des Reichstages im vergangenen Jahre zu mehrmonatlichen Sessionen, 
durch die gleichzeitigen wiederholten und längeren Sessionen des Preußischen 
Abgeordnetenhauses und Herrenhauses ist es der Preußischen Regierung ganz 
unmöglich gewesen, die Provinzial-Landtage und Kommunal-Landtage zu 
ihren regelmäßigen Sitzungen, die im vorigen Jahre hätten Statt finden 
müssen, zusammenzuberufen. Wichtige Gegenstände der Provinzial= und 
Kommunalständischen Verwaltung aber haben, wie mir, der ich selbst Mit- 
glied einer dieser Körperschaften bin, sehr wohl bekannt ist, es zur unabweis- 
baren Nothwendigkeit gemacht endlich auch die Provinzial-Landtage zusam- 
menzuberufen, wenn nicht wesentliche Interessen der Provinzen hätten ge- 
schädigt werden sollen, — wenn nicht vielleicht die Forteristenz mancher ihrer 
Institute sollte in Frage gestellt werden. Hierdurch, meine Herren, ist meiner 
Ansicht nach durchaus unverschuldeter Weise Seitens der Regierungen aller- 
dings ein Konflikt entstanden für viele Mitglieder, die gleichzeitig diesem 
hohen Hause und anderen politischen Körperschaften angehören. — Dies 
würde die praktische Seite des Antrags sein. Werfe ich nun einen kurzen 
Blick auf die nationale Bedeutung desselben, so finde ich, — und ich glaube, 
die geehrten Herren werden es mit mir finden — daß wenn auch ferner 
ein gleichzeitiges Tagen von provinzialständischen Versammlungen und Land- 
tagen mit dem Reichstage stattfinden sollte, hierin gewiß ein Stück jenes 
Partikularismus liegen würde, der leider noch immer wenn auch in schüchter- 
ner Form der Entwicklung der Deutschen Verhältnisse hindernd in den 
Weg tritt, — jenes Partikularismus, der doch endlich den einmüthigen Ein- 
heitsbestrebungen der Nation weichen sollte! Es würde, wenn derartige Zu- 
stände andauem, hierin in der That ein Verkennen der Würde und der Be- 
deutung des Reichstages liegen, es würde ein Verkennen der dem Reichstage
	        
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