Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1200 1868. Art. 20. 
Vertreter hier gewählt zu werden, so hat er keine dringenderen Geschäfte, 
als hier anwesend zu sein und sein Mandat wahrzunehmen. (Bravol) 
Dr. Stephani (Leipzig)“): Meine Herren, der Antrag scheint nach 
dem, was jetzt hier gesagt ist, der weitern Begründung nicht zu bedürfen, 
da ein Einverständniß darüber zu berrschen scheint, daß Etwas in der Sache 
geschehen muß. Nach dem, was wir gegenmärtig von dem Herrin Bundes- 
kanzler gehört haben, könnte es indeß scheinen, daß unser Antrag zu schwach 
sei und erfolglos bleiben werde. Ich für mein Theil habe wohl gefühlt, daß 
der von ims gestellte Antrag die allermildeste Form ist, welche in dieser 
Sache zu mählen sein würde; etwas Stärkeres würde eine Modalität sein, 
die uns auch zu Gebote stehen würde, nämlich eine gesetzliche Bestimmung 
zu treffen, wodurch verboten wird, daß Provinzial- und Territorial-Landtage 
gleichzeitig mit dem Reichstage tagen. Daß wir eine Berechtigung hierzu 
haben, geht wohl daraus hervor, daß der Reichstag einen Vorrang vor den 
Provinzial= und Territorial-Landtagen haben muß, — darüber ist gar kein 
Zweifel, theils an sich nicht, theils der Verfassung nach! Das Interesse des 
Ganzen muß allemal den Vorrang vor dem Interesse des Einzelnen haben, 
der ganze Körper hat allemal den Vorrang vor den einzelnen Gliedern, und 
wenn man eine Reise machen will, so kann unmöglich eine Hand oder ein 
Juß sagen, er wolle für diesmal zu Hause bleiben, der Kopxf möge einstweilen 
allein gehen. Wenn der Reichstag tagt, so können in Folge dessen die ein- 
zelnen Mitglieder des Reichstages nicht sagen, daß sie zu Hanfe bleiben 
wollen, weil sie da beschäftigt sind. Ich denke, darüber herrscht kein Zweifel, 
daß wir den Vorrang haben. Die Verfassung bestimmt auch im Artikel 2 
ausdrücklich, daß die Gesetzgebung des Bundes der der einzelnen Staaten 
vorangeht. Wenn die Gesetzgebung den Vorrang hat, so muß nothwendig 
der Akt der Gesetzgebung auch den Vorrang haben, das heißt also: das Tagen 
des Reichstages. Es werden auf alle Fälle die Anordnungen zu treffen sein, 
daß dieser Vorrang gewahrt wird. Die von uns gewählte Form ist die 
mildeste, — ich will nicht vorschlagen den Weg der Gesetzgebung zu beschreiten, 
denn ich glaube nicht, daß der Reichstag ein Interesse daran hat, allen zum 
Theil ja sehr kleinen Provinzial-Vertretungen zu verbieten, daß sie während 
des Reichstages tagen. Wir haben in Deutschland Jubilate-, Bartholomäi- 
und ich weiß nicht was für Landtage, die an bestimmte Zeiten geknüpft 
sind, deren Tagen uns wenig geniren wird; nur wird darauf zu sehen sein, 
daß es nicht in solchem Maße wie bisher geschieht, und dazu, meine ich, 
ist der mildeste Weg und wie ich voraussetze auch der erfolgreichste: das 
Ersuchen an den Herrn Bundeskanzler. Es wird, da gegenwärtig die Preußi- 
sche und die Sachsische Regierung zunächst davon betroffen werden, bei der 
Preußischen wohl erfolgreich sein, denn es ist nicht anzunehmen, daß es an 
*) St. B. S. 76 l. m.
	        
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