Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1206 1871. Art. 32. Diäten. 
in dieser Verfassung eben der Einheit zugestanden ist, was die Einheit be- 
darf, und daß dem Einzelleben der Einzelstaaten gelassen ist, was ihnen 
förderlich ist; man fühlt aber auch, daß es nothwendig ist, daß der Geist 
der Verfassung in succum et sunguinem des Volkslebens und seines Rechts- 
bewußtseins übergehen muß, und daß dann erst Aenderungen im Sinne der 
Freiheit möglich sind. Die freiheitliche Entfaltung der Verfassung ist aller- 
dings (Ruf: Zur Sachel) 
Präsident: Meine Herren, der Redner entwickelt zu Artikel 32, warum 
er jetzt ron einer Aenderung der Diätenlosigkeit abstehen zu müssen geglaubt. 
Daran kann ich ihn doch unmöglich hindern. 
Schmid (fortf.): Ich sage also, das süddeutsche Volk und speziell das 
schwäbische Volk wünscht und verlangt eine freiheitliche Entwickelung der 
Verfassung, allerdings nicht im Sinne allgemeiner, fader Grundrechte, 
sondern in dem Sinne, daß bestimmte praktische Institutionen und Rechte 
eingeführt werden, wie ich als solche auch die schließliche Beseitigung des 
Artikels 32 der Verfassungsurkunde betrachte; aber heute, meine Herren, wo 
gewissermaßen der Nachdonner des großen Gewitters, welches so glücklich an 
uns vorübergegangen ist, noch nicht aufgehört hat, heute gemahnt es uns, 
daß wir solche spezielle Aenderungen der Verfassung unterlassen, daß wir 
alle bestrebt sein müssen, unser Nationalhaus unter Dach und fertig zu 
stellen. Einmüthig, meine Herren, wollen wir deshalb, freudig und ein- 
stimmig, das gcheiligte Sigill des Nationalwillens unter die neue Verfassungs- 
urkunde des Deutschen Reiches setzen! (Bravol) 
Freiherr v. Hoverbeck: Meine Herren, den Antrag auf Diäten be- 
trachtet meine Partei als ein Vermächtniß unseres unvergeßlichen Waldeck; 
wir haben ihn in jeder Session des Reichstages gestellt, wir werden ihn 
auch in dieser Session noch stellen. Aber, meine Herren, wir wollen nicht, 
daß er in diesem Augenblick gestellt werde, und wir wenigstens haben uns 
sehr gehütet, ihn in diesem Augenblick zu stellen, damit er nicht aus den 
formellen Bedenken, deren Berechtigung wir nicht bestreiten können, hier 
etwa fallen sollte, während sonst, wie wir meinen, die Mehrheit des Reichs- 
lages für den Antrag sein möchte. Wir kommen also zur geeigneten 
Zeit mit dem Antrage, und wir bitten Diejenigen, die es ernstlich mit der 
Sache meinen, sich dann mit uns zu vereinigen. 
Der Antrag wurde abgelehnt. 
*) St. B. S. 157 l. u. 
"#) St. B. S 157 r. o.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.