Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Waldeck. 1209 
einem Sinn Beziehung mit uns!? Wir vindiciren uns natürlich das freie 
Votum in den großen Angelegenheiten, die wir mit zu berathen und über 
die wir zu entscheiden haben in der Gesetzgebung und in der Geldbewilligung. 
Aber unter die Rubrik des Selfgovernments fällt dies durchaus nicht, sondern 
einfach in die Frage: wie sieht man einen solchen gesetzgebenden Körper an? 
(Ruf: Sehr wahr!) Da ist es denn nun klar, daß jene Ansicht des Mittzel- 
alters, der Feudalität, ein Votum nach Corporationen abzugeben, nicht mehr 
vorhanden ist; daß nicht Ritter, Bürger und Bauern hier sitzen können, 
sondern Vertreter des ganzen Volkes. Wäre es zweifelhaft bei einer Ver- 
tretung, wie sie in einem so großen Staate wie dem Preußischen stattfindet, 
so wird es doch Niemandem einfallen zu zweifeln, daß Angelegenheiten, die 
so einheitlich sind, wie das Militairwesen, die Angelegenheiten des answärti- 
gen Ministeriums, das Handelswesen, Gewerbewesen, — daß diese sich nicht 
irgendwie nach den Interessen inzelner richten, sondern daß sic Interessen 
der ganzen Nation sind. Und wie jeder Einzelne im Volke seinen Bei- 
trag zu liefern hat, so können auch die Repräsentanten hier nur Repräsen- 
tanten des ganzen Volkes sein. Daraus ergiebt sich mit vollster unabweis- 
licher Consequenz, daß, wenn das Volk diese nach seinem freien Ermessen 
wählen soll, es nicht beschränkt sein darf in der Wahl. Und diese Beschrän- 
kung in der Wahl ist —, darüber mag gesagt werden was da wolle — un- 
bezweifelt, wenn nicht für den Aufenthalt hier und ebenso für die Reisekosten 
eine Entschädigung gegeben wird. Denn wenn das nicht der Fall ist, so 
können nur Solche gewählt werden, die im Stande sind dieses Opfer zu 
bringen, oder es müßte ihnen von Seiten der Kreise eine Entschädigung 
gegeben werden. Wir haben es im Preußischen Herrenhause mit einigen 
Städten erlebt, daß ihren Vertretern von den Communen eine Entschädigung 
gewährt wurde. Dieses aber ist dem Begriff der Volksvertretung zuwider. 
Die Volksvertreter sollen hier an den hohen Funktionen, die sie auszuüben 
haben, Theil nehmen; sie sollen aber dafür von dem ganzen Staate ent- 
schädigt werden. Das ist die einzig mögliche Art und Weisc, die allein 
würdige und richtige. Es soll kein Privilegium der Reichen eristiren hier 
Vertreter zu sein. Meine Herren! Hier komme ich auf die Bedenken, die 
gemacht worden sind, — principielle nicht. Principiellc konnten ja nicht ge- 
macht werden, denn sic wären ja nur in einem corporativen Interesse zu 
gründen gewesen. Man hat also gesagt: wir fürchten uns, wir müssen das 
allgemeine Wahlrecht zugeben; wir thun es sehr ungern — das haben wir 
von fast allen Herren gehört — wir thun es ungern, allein wir thun es 
nur unter der Bedingung — dies haben die Herrn Bundestagscommissare 
erklärt — wir thun es nur unter der Bedingung, daß keine Diäten gezahlt 
werden. Fragt man aber nun: warum soll das nicht geschehen, warum sollen 
die Gründe, die hier erörtert worden sind, keine Geltung haben, — dann kommt 
man sogleich entweder auf die bekannten Redensarten von den Dreithaler- 
männern oder wie sie sonst heißen mögen, Redensarten, die eigentlich nicht
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.