Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

1214 1368. Art. 32. Diäten. 
das hätten sich Diejenigen, die glauben ohne Diäten nicht zu leben können, 
bei der Wahl überlegen sollen. Sie werden mit Ihrem Antrage schwerlich 
durchdringen und Sie werden die Rechnung ohne den Wirth gemacht haben. 
Es beunruhigt mich die Centscheidung der Frage nun gerade nicht, denn Sie 
werden mit diesen stoßweisen Anläufen auf Institutionen, die soeben erst er- 
richtet worden sind, einer starken Regierung gegenüber, das bin ich gewiß, 
nicht durchdringen; aber es beunruhigt mich allerdings der Gedanke, daß es 
möglich sein sollte, in diesem Hause dennoch eine Majorität für diesen 
Antrag zu erlangen. Ich würde das im Interesse des Hauses schwer 
beklagen. 
Dr. von Schweihzer (Elberfeld-Barmen):’') Meine Heren! Ich hatte 
mich zum Worte gemeldet, um etwaige Gründe, die gegen den Antrag vor- 
gebracht werden, zu widerlegen; allein meine Vorsorge hat sich als unnöthig 
erwiesen: ich habe keine Gründe, ich habe nur Vorwüfe gegen die linke 
Seite dieses Hauses gehört, indessen, meine Herren, ich glaube, den haupt- 
sächlichsten Grund zu errathen, warum man von mancher Seite daran fest- 
halten will, daß Diäten nicht bewilligt werden sollen. Man fürchtet, es 
könnten, wenn Diäten gezahlt würden, in dieses Haus Vertreter aus den 
besitzlosen Ständen kommen. Meine Herren, diese praktische Rücksicht ist 
jedenfalls verfehlt. Wenn wenige Vertreter der besitzlosen Stände in diesem 
Hause sind, so ist das anderen Gründen zuzuschreiben, wie ich bereits vor 
einigen Tagen andeutete, der Art und Weise nämlich, wie im Norddeutschen 
Bunde, im größten Theile desselben, das allgemeine Wahlrecht gehandhabt 
wird. Der Grund, daß keine Diäten gezahlt werden, wird niemals einen 
Vertreter aus der Arbeiter-Klasse abhalten, hier zu erscheinen. Die Arbeiter 
sind das Humgern gewöhnt; ob sie hungern in den Gebirgen Schlesiens und 
in den Niederungen des Rheinlandes, oder in der Preußischen Hauptstadt, 
das bleibt sich schließlich ihnen gleich. Nicht also aus praktischen Gründen 
wünschte ich die gedachten Bestimmungen in der Verfassung aufgehoben zu 
wissen, ich wünschte sie aufgehoben zu wissen aus prin zipiellen Gründen. 
Meine Herren, geben Sie nicht der Armuth und den besitzlosen Ständen 
einen Schlag ins Gesicht durch diese Bestimmung, welche mit anderen 
Worten heißt: Wir wünschen und wollen, daß nur Besitzende in diesem 
Hause tagen. Geben Sie diesen Schlag nicht der Armuth ins Gesicht! Aus 
diesem prinzipiellen Grunde möchte ich Sie auffordern, dem Gesetze Ihre 
Zustimmung zu geben. Was die praktische Seite der Sache betrifft, so wird 
schließlich die Nertretung der Stände, die man von jener Seite ausschlicßen 
möchte, dennoch in den parlamentarischen Versammlungen crtönen mächtiger 
und mächtiger, trotz aller Versuche sie zu unterdrücken. 
  
*') St. B.“S. 50 l. u.
	        
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