Schweitzer. Blanckenburg. 1215
von Blanckenburg (Naugard-Regenwalde):') Meine Herren, ich fürchte
icht die besitzlosen Stände und gehöre nicht zu Denen, die um deshalb hier
im vorigen Jahre gegen Diäten votirt haben, damit die Armen, die Arbeiter,
die von ihrer Hände Werk leben, nicht in dieses Haus treten möchten. Ich
liebe die arbeitenden Stände und besorge nicht, daß sie darum gerade ver-
hungern werden, weil sie nicht in größerer Anzahl als bisher geschehen in
diesem Hause vertreten sind. Wenn sie hungern, meine Herren, wie der
Herr Vorredner gesagt hat, dann liegt das auf einem ganz anderen Gebiete
und die Frage werden wir dadurch nicht lösen, daß sie hier in überwiegender
Majorität erscheinen. Im Gegentheil, im Interesse dieser Klassen wünsche
ich dringend, daß sie hier Vertreter herschicken ohne Diäten, damit ihr
Votum ein um so kräftigeres werde. Ich frage den Herrn Vorredner,
ob es nicht mehr Gewicht hat in Deutschland, daß er sagen kann: Hier sind
wir, wenn auch noch mit einer kleinen Auzahl, aber wir sind ohne Diäten
gekommen! Ist dies nicht der stärkste Vorwurf für diejenigen gebildeten
und reicheren Klassen, die da sagen, wir können nicht kommen, wir bedürfen
dazu 3 Thaler? Ich muß mich sehr wundern, daß gerade der Herr Abge-
geordnete Waldeck diesen Antrag hier gestellt hat. Sollte es dem Herrn Ab-
geordneten Waldeck nicht gegenwärtig sein, welch einen vielleicht ganz anderen
Verlauf die Dinge im Preußischen Staat und in Deutschland genommen
hätten, wenn 1848 die National-Versammlung ohne Diäten gekommen
wäre, in der er eine hervorragende Stellung einnahm! War es nicht
deprimirend, daß diesen Abgeordneten der National-Versammlung vorgeworfen
werden konnte: — und es ist der Vorwurf erhoben worden — ja sie sind der
Diäten wegen gekommen! Ich erinmere Sie daran, welche Mißstimmung
es im Lande erregte, daß man die Portofreiheit beschränken mußte, die
zu der damaligen Zeit so weit ausgedehnt war, um dem Mißbrauche zu be-
gegnen, daß man portofrei Waaren hierherschicken und sie verhandeln
konnte! Diese Vorwürfe haben der damaligen Versammlung mehr geschadet,
als wenn sie ohne Diäten getagt hätte! Um diesem Hause die Stellung
zu geben in Norddeutschland und in Europa, welche ihm meines Erachtens
zukommt, erachte ich, und das ist mein Hauptgrund, daß diese Versammlung
ohne Diäten tagen muß, und zwar aus dem Grunde, weil sie über
allen anderen parlamentarischen und Provinzialvertretungen, die sich mit
Diäten begnügen können, stehen muß. Sie Alle müssen dem Grundsatz nach-
kommen: noblesse oblige; und wenn erst das Bewußtsein in dem Lande
nur unter uns, auch unter meiner eigenen Partei mehr Platz greift: wir
sind es, wir, die Mitglieder des Reichstages, haben etwas mehr Pflichten
als ein Mitglied des Landtages, — wenn dies Bewußtsein erst in uns Alle hin-
eingedrungen sein wird, meine Herren, dann werden wir nicht mehr für
die Diäten fechten! Ich sollte doch meinen, daß wir uns selbst ehren,
*) St. B. S. 50 r. g. o.