1218 1868. Art. 33. Diäten.
dem die Vorsehung das Glück ertheilt hat, in der Art selbstständig zu sein,
daß er keine Nahrungssorgen hat und seine Zeit für das allgemeine Wohl
verwenden kann, ohne daß er derselben für seine privaten Interessen bedarf,
in der Regel selbstständiger ist, sich weder nach oben noch nach unten um
Beifall oder Mißfallen zu kümmern hat, sondern nach seiner vollen Ueber-
zeugung für das Wohl seiner Mitbürger leichter und unbefangener stimmen
kaun, als Derjenige, welcher genöthigt ist die eine oder die andere Rücksicht
zu nehmen. Ein Abgeordneter muß meiner Ueberzeugung nach weder nach
Popularität nach unten, noch nach Gunst nach oben hinstreben. Ein wich-
tiges Criterium, um unabhängig und selbstständig zu sein, ist grade das,
daß er eben keiner Diäten bedarf, um zu leben. Ich glaube, daß, indem
das allgemeine Wahlrecht besteht, alle Parteien Männer genug unter sich
haben, welche diese Bedingung erfüllen, wenn nur das Bewußtsein der Pflicht
diesen Beruf zu erfüllen in allen Schichten eingedrungen ist. Auch die Ar-
beiter werden gewiß unter den Männern, welche wohlhabend genug sind, um
ohne Diäten hierher kommen zu können, Männer finden, welche ihre Inter-
essen wahrnehmen. Das Interesse der Arbeiter ist nicht allein ein Interesse
ihrer selbst, sondern ein Interesse für Alle und für die besitzenden Stände
vorzüglich, weil ihnen daran gelegen sein muß, daß der Arbeiter leben und
bestechen kann und daß die Sicherheit des Staates dadurch gewahrt werde.
Ich finde in den bisherigen Erfahrungen kein Bedürfniß Diäten zu geben
und am wenigsten können die Erfahrungen dafür sprechen, welche Herr Ab-
geordneter Waldeck in der jetzigen Session gemacht haben will, daß noch viele
Abgeordneten fehlen. Wenn gleichzeitig mehrere Landtage und Provinzial=
landtage tagen, so sind aus diesem Grunde die Bänke leerer, nicht aber des-
halb, weil keine Diäten gezahlt werden. Ich empfehle Ihnen, über den An-
mag auf Abänderung des Artikels 32 der Verfassung zur Tages-Ordnung
überzugehen.
Schulze (Berlin VI. früher Delitzsch)!): Ja, meine Heren, ich muß
sagen, daß mich nichte mehr in der Debatte frappirt hat, als die Behauptung
eines der geehrten Redner der Rechten: dies sei der erste Angriff auf die
Verfassung, der von dieser Seite des Hauses (linke) ausgehe. Wir, meine
Herren, sind nach unserer ehrlichen Ueberzeugung der Meinung, daß wenn
es uns gelänge unserm Antrag durchzusetzen, wir der Verfassung für die
spätere Entwickelung unseres Volkes und auch in Bezug auf die Geltung
derselben, eine bessere Stütze als irgend eine andere zu geben vermöchten.
Stellen Sie die Sache dar, von welcher Seite Sie wollen: es bleibt immer
auf dieser Maßregel das haften, daß man dem Volke mit der einen Hand
giebt, was man mit der andemn Hand nimmt. Es steckt in dieser Diäten-
losigkeit für die Vertretung des Norddeutschen Bundes eine innere Unwahr-
*) St. B. S. 51 r. u.