108 Historische Einleitung.
Thätigkeit geknüpft hatte, sich nicht verwirklichen, — die Hoffnung auf alsbal-
dige Erweiterung der Competenz der Zollbundesgewalt und auf sofortige An-
babnung der Umwandlung des Z9ollparlaments in ein Vollparlament. Gleich-
wohl kann nicht verkannt werden, daß für die spätere Zukunft und insbeson-
dere für die Zeit des Ablaufs der laufenden Jollvereinsperiode in der Auf-
kündbarkeit des Jollvereins ein nach den bisherigen Erfahrungen sehr wich-
tiger Hebel der norddeutschen Politik überbaupt gegeben war. Doch das
Geschick hat dafür entschieden, daß für die Weiterentwicklung der gesammt-
deutschen Verfassung der zweite der Eingangs genannten Anknüpfungspunkte
schon nach wenig Jahren als allein entscheidend auftrat.
Ebenfalls gleichzeitig mit den Friedensrerträgen im Angust 1876 schlossen
die drei süddeutschen Staaten mit Preußen die Schutz= und Trutzbünd-
nisse ab, welche als vorläufig geheim zu haltende Zusatzverträge den Frie-
densverträgen angereiht wurden’') Artikel I. und II. der gleichlautenden
Bündnißverträge lauten:
Artikel I. „Es garantiren sich die Kontrahenten gegenseitig die Inte-
grität des Gebiets ibrer bezüglichen Länder und ver'flichten sich, im Falle
eines Krieges ihre volle Kriegsmacht zu diesem Zwecke einander zur Verfü-
gung zu stellen."“
Artikel II. Der verbündete Fürst überträgt für diesen Fall den Ober-
befehl über seine Truppen dem Könige von Preußen. —
Freilich hatte die französische Kriegserklärung z nächst nur die kriegerische
Vereinigung von Süddeutschland mit dem Norddeutschen Bunde berbeigeführt,
allein es kamen durch den Verlauf des Krieges eine Reihe von glücklichen
Umständen hinzu, welche nicht allein auf die öffentliche Meinung in Süd-
deutschland überhauxt, insoweit sie sich hier bisher einer verfassungsmäßigen
Einigung mit dem Norden noch abgeneigt gezeigt hatte, und auf die Re-
gierungen insbesondere so zwingend wirkten, daß die Wiedervereinigung des
Südens mit dem Norden unter Kaiser und Reich in verjüngter Gestalt zur
Thatsache werden mußte. So waren es die Bajonette der deutschen Armee,
welche die Mainbrücke schlugen.
Im Laufe des Monats September 1870 war es, daß die bairische Re-
gierung’') dem Präsidium des Norddeutschen Bundes zu erkeunen gab, „daß
die Entwicklung der politischen Verhältnisse Deutschlands, wie dieselbe durch
die kriegerischen Ereignisse herbeigeführt worden, es bedinge, von dem Boden
der völkerrechtlichen Verträge, welche bis dahin die Süddeutschen Staaten
*.) Die Veröffentlichung erfolgte in Baiern und in Preußen während der Be-
rathungen des constituirenden Norddentschen Reichstages am 19. März 1867 (vergl.
Baud l. S. 179 und 378) und bald darauf auch in Würtemberg und Baden.
*!) Der dcebezügliche Zericht des bairischen Minisicriums au den Köuig datirte
vom 12. September 18670.