GBismarck. 1233
dem muß ich mich widersetzen! (Bravo! links) Auf diesen Standpunkt stelle
ich mich nicht, und unsere Verhandlungen in der letzten Zeit haben mich in
der Annahme bestärkt, doß eine zu große Eile nicht allemal das Wahre,
Richtige im Interesse des Volkes hervorbringt. (Zustimmung.) Das habe
ich dem geehrten Herrn Abgcordneten in dieser Beziehung zu bemerken und
ich meine daher, daß er bei Weitem mehr für als gegen die Diäten ge-
sprochen hat. (Bravol)
Bundeskanzler Graf von Bismarck:’) Ich will nicht, wie bisher in
der Hauptsache geschehen ist, die Diskussion ermenern, welche wir bei Her-
stellung der Bundesverfassung geführt haben. Ich will mich deßhalb ent-
halten in die Gründe, welche für oder gegen Diäten sprechen können, von
Neuem einzugehen. Ich glaube, wir finden sie sehr viel reichlicher, wenn
wir die Verhandlungen nochmals nachlesen, welche vorgestern vor einem
Jahre hier ihren Abschluß fanden. Damals sind dieselben Dinge eben so
zut und warm gesagt, die wir heute wieder gehört haben, und ich enthalte
mich darauf einzugehen, obschon ich es vom Standpunkt eines Ministers resp.
Bundeskanzlers doch nicht für einen so geringen Gewinn, wie der Herr Vor-
reduer anschlagen kann, wenn Zeit gewonnen wird namentlich dadurch, daß
die Zahl der akademischen Vorträge von dieser Tribüne vermindert wird — die
Zahl der unpraktischen Vorträge. Wenn Zeit gewonnen wird, ist die Anzahl
Derer größer, welche überhaupt hierher zu kommen im Stande sind, und sie
beschränkt sich nicht, wenigstens so weit sie mit Leichtigkeit kommen können,
auf Diejenigen, welche zu Hausfe weuig zu thun haben. Die Leichtigkeit Ab-
geordneter zu werden ist nicht mehr bedingt durch den Mangel an einem
regelmäßigen Berufe, sie steht nicht mehr im umgekehrten Verhältnisse der
regelmäßigen Beschäftigung außerhalb der Sitzungs-Zeit, und das ist für die
Art der Vertretung doch immer ein erheblicher Gewinn. Ich will Sie aber
aufmerksam machen auf den Eindruck, den es auf die verbündeten Regierun-
gen machen muß, wenn dieses mühsam errungene Compromiß des Verfassungs-
werkes nach kaum 12 Monaten wiederum in Frage gestellt wird. Die ganze
Bundesverfassung, wie sie vorliegt, ist ein Compromiß: wir haben nachge-
geben, Sie haben nachgegeben; kaum sitzen Sie darin, so wollen Sie
das, was Sie mit der einen Hand nachgegeben haben, mit der andern zu-
rückziehen. Das ist kein Spiel, wie wir es vorausgesehen und verstanden
haben und auf das wir uns werden einlassen können. Was für einen Ein-
druck würde es Ihnen machen, wenn die Regierungen jetzt Anträge auf Ver-
fassungsänderung. Anträge im Sinne der Verstärkung der Regierungsmacht, —
wenn wir jetzt etwa den Antrag stellen wollten, die Zahl der Jahre zu ver-
größern, für die das eiserne Militär-Budget bewilligt worden ist, oder den
Antrag, nachträglich die Redefreiheit zu beschränken? Würden Sie nicht
*) St. B. S. 57 r. g. m.