Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Keyser. Bassewitz. 1243 
Diätengewährung die Verfassung des Norddeutschen Bundes überhaupt nicht 
zu Stande kommen würde oder daß sie wenigstens nicht als eine vereinbarte — 
wenn auch als eine oktroyirte. — zu Staude kommen würde, und weil ich 
nach den GEreignissen von 1866 bei der damaligen politischen Weltlage es 
für durchaus nothwendig erachtete, daß dem Auslande sowie auch Süddeutsch- 
land gegenüber eine Einheit zwischen Volk und Regierung in Norddeutschland 
erreicht werde. Meine Herren, diese Gefahr, dieses Bedenken, welches mich 
damals leitete, eristirt nicht mehr. Ich habe in der vorigen Session des 
Reichstags gegen den Antrag auf Gewährung von Diäten gestimmt, weil es 
im Beginn der Reichstagésitzungen war und weil ich mich schenen mußte 
mir selbst Diäten zu votiren. Ich glaube aber, meine Herren, daß ich zu 
dieser Stunde des Reichstags von diesen persönlichen Rücksichten ebenfalls 
entbunden bin. Ich werde diesmal für den Waldeck'ischen Antrag stimmen 
(Bravo! links und im linken Centrum), und zwar aus folgendem Grunde 
— in dieser Beziehung weiche ich von meinem Herrn Vorredner gewisser- 
maßen ab. — Ich sehe in der Annahme dieses Antrages eins der bedeutendsten 
Schutzmittel gegen die Gefahren, welche aus dem allgemeinen Stimmrecht 
drohen können. Ich gründe auf die Annahme dieses Antrages die Hoffnung, 
daß ein großer Theil konservativer Elemente dem Reichstag zugeführt wird, 
die durchaus nothwendig sind zur ruhigen, stetigen und gedeihlichen Eutwicke- 
lung des iuneren Verfassungslebens in den GEinzelstaaten und des Ver- 
fassungslebens überhaupt, ich meine die konservatiren Elemente aus dem auf 
selbsteigenen Füßen stehenden soliden Bürgerthum. 
Graf von Bassewitz (Gnoien= Goldberg-Güstrow . [Meckleuburg- 
Schwerin])“): Ich will kein Wort darüber verlieren, ob es angemessen sein 
würde Diäten zu bewilligen oder nicht, weil, wie dies schon mehrfach hier 
heworgehoben ist, über diese Frage in dem konstituirenden Reichstage und 
auf dem vorigen Reichstage bei dem gleichen Antrage so viel diskutirt ist, 
daß darüber meines Erachtens nicht viel Neues zu sagen sein würde. Ich 
betone auch nur, daß es sich hier um Abänderung eines Verfassungopara- 
graphen handclt. Meine Herren, wir haben auf diesem Reichstage schon so 
manche Anträge auf Abänderung der Verfassung diskutirt, und es scheint 
gewissermaßen jedes Mitglied des konstituirenden Reichstages eine Art Pflicht 
zu fühlen, diejenigen Anträge, die damals von seiner Seite gestellt und nicht 
durchgebracht sind, immer zu wiederholen. Ich glaube nicht, daß wir auf 
diese Weise das Bestehen der ganzen Bundesverfassung sichem werden. In 
allen konstitutionellen Staaten geben die Verhandlungen mehr oder weniger 
ein Bild eines Machtstreites, eines Machtkampfes zwischen den berechtigten 
Potenzen, und derjenige Theil, der seine Macht zu sehr ausnutzt oder in be- 
rechtigter Weise mißbraucht, übernimmt in der Regel die Verantwortung der 
Gefährdung der Verfassung. Dieser Gesichtspunkt aber glaube ich muß viel 
*) St. B. S. 816 r. g. u.
	        
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