Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Gebert. 1255 
Dritte Berathung 
des Antrages Waldeck’). 
Gebert aus Dresden (Borna-Pegau r.)““): Meine Herren! Ich ge- 
statte mir um das Wort zu bitten, einestheils um meine Stellung der Frage 
gegenüber näher zu motiviren, anderntheils um mich gegen eine Bemerkung 
zu verwahren, die bei der zweiten Berathung über diese Frage von dem 
Herrn Abgeordneten Grafen Schulenburg dem Herrn Abgeordneten Keyser 
entgegengestellt wurde. Ich nehme dieser Frage gegenüber ganz die Stellung 
ein, welche Herr Keyser damals Ihnen als die seinige bezeichnet hat. Ich 
habe bei dem ersten Reichstage für die Diäten gestimmt und bin späterhin 
erst dem Beschlusse der Diätenlosigkeit beigetreten, weil uns von maßgebender 
Seite mit Bestimmtheit in Aussicht gestellt wurde, daß das Zustandekommen 
der Verfassung an dieser Frage scheitern werde. Nun aber lag uns, wenig- 
stens mir und meinen politischen Freunden, vor Allem daran, nach den kurz 
vorher stattgefundenen Ereignissen vor allen Dingen einen Verfassungsboden 
zu gewinnen, einen modus vivendi herzustellen, auf welchem es sich weiter 
leben lassen könne. Jetzt scheint mir ist die Sachlage eine andere geworden; 
ich bin der festen Ueberzeugung, daß die Diätenlosigkeit nicht ersprießlich 
wirkt für die fernere Existenz dieses Hauses, und deßhalb werde ich heute 
gegen dieselbe stimmen. Wenn der Herr Abgeordnete Graf Schulenburg 
dem Herrn Abgeordneten Keyser entgegenhielt, daß dies gewissermaßen ein 
Zurückgehen von einem Kompromisse sei, so muß ich meinerseits erklären, 
daß ich auf dem Boden eines Kompromisses bei dieser Frage nicht gestanden 
habe; ich bin damals einfach der vis major gewichen, ich bin gewichen der 
bestimmten Erklärung des Herrn Bundeskanzlers, daß bei Annahme des be- 
treffenden Beschlusses die Verfassung zurückgezogen werden, ja daß er selbst 
unter den angegebenen Verhältnissen noch zu einem bestimmteren Entschlusse 
sich reranlaßt sehen würde. Diese Erklärung war für mich bedingend, heute 
ist sie dies nicht mehr, um so weniger, als — nach einer Aeußerung des 
Herrn Bundeskanzlers — derselbe darauf hindeutete, daß für den Anfang 
ein Versuch zu machen sei und man späterhin über diese Frage nochmals 
diskutiren könne. Heute, meine Herren, scheint die Zeit gekommen, wo diese 
Frage zur Diskussion reif ist, und ich muß mich allen Denen anschließen, 
welche in dieser Richtung darauf hingewiesen haben, daß die Diätenlosigkeit 
nichts nützt für dieses Haus. Ich werde demgemäß für den heute vorliegen- 
den Antrag stimmen. (Bravo! links.) 
  
*) 40. Sitzung vom 17. Mai 1869. 
½% St. B., S. 937 r. g. u.
	        
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