Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Häuel. 1263 
Nr. 1, des Art. 35 Alinea 2, Art. 46 Alinea 2, Art. 52 
der Schlußbestimmung zum Xl. Abschnitt und der 
Schlußbestimmung zum XII. Abschnitt, durch welche be- 
stimmte Rechte Baierns und beziehungsweise Würtembergs und 
Badens in deren Verhältniß zur Gesammtheit festgestellt sind, 
können nur mit Zustimmung des berechtigten Einzelstaates ab- 
geändert werden."“ 
Dr. Hänel’): Meine Herren, der Art. 78 hat in der Fassung, wie 
er in der Norddeutschen Bundesverfassung stand, zu mancherlei Bedenken An- 
laß gegeben. Er war der Sitz jener Lehre, wonach der Norddeutsche Bund 
nicht kompetent gewesen sein soll, seine eigene Kompetenz durch Verfassungs- 
änderung zu erweitern. Diese Lehre ist mir von jeher unverständlich ge- 
wesen. Ich habe sie nicht verstanden als Jurist nach den Regeln der logischen 
und historischen Interpretationen, die mir geläufig sind. Ich habe sie aber 
auch nicht verstanden als Politiker. Allerdings, meine Herren, bin auch ich 
Föderalist. Auch ich halte dafür, daß der Einheitsstaat in Deutschland nicht 
nur zur Zeit ausgeschlossen ist durch die Kämpfe des Jahres 1870 und 
durch diejenigen Verträge, die wir eben vor uns halten; der Einheitsstaat 
ist für mich auch kein Ideal in der Jukunft. Allein, meine Herren, den 
Föderalismus habe ich nie in dem Sinne verstanden, daß er dem Central= 
staate gerade die Lebensader unterbinden soll, daß er allein die Entwickelungs- 
fähigkeit für die einzelnen Staaten verlangt und sie dem Centralstaate ver- 
weigert. Das würde es aber sein, wenn ich jede Verfassungsänderung, die 
etwa an einer Kompetenzbestimmung rührt, abhängig machen wollte von 
dem liberum veto des einzelnen Staates. Meine Herren, diese Theorie ist 
beseitigt. Selbst einer ihrer Vertreter, der mich zu wiederholten Malen in 
diesem Augenblicke apostrophirt hat, hat anerkannt, daß, nachdem diese Be- 
stimmung aus der Norddeutschen Verfassung in die Reichsverfassung überge- 
gangen ist, nachdem sie es auf Grund einer Praxis im Norddeutschen 
Bunde, welche sich an jene Lehre nicht angelehnt hat, — daß sage ich in Folge 
dessen dieses Alinea 1 des Artikels 78 jene Auslegung, die man versucht 
hat, nicht mehr zuläßt. Meine Herren, das gereicht mir zur Befriedigung. 
Freilich wird diese Befriedigung dadurch noch etwas geschmälert, daß 
wir im ersten Alinea des Artikels 78 ein Veto von 14 Stimmen haben, 
welches gegenüber dem starken Verbesserungsbedürfniß der Reichsverfassung 
mir nicht angenehm ist. Es wird aber auch diese Befriedigung hauptsäch- 
lich geschmälert durch Alinea 2 des Artikels. Ich fürchte, daß das Alinea 2 
dieses Artikels zu ähnlichen Theorien Anlaß geben kann, wie es in Bejzug 
auf das Alinea 1, insoweit es korrespondirt mit der Norddeutschen Ver- 
fassung, Anlaß gegeben hat. Ich wende Ihre Aufmerksamkeit, meine Herren, 
) St. B. S. 159 r. g. m.
	        
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