Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

116 Olstorische Einleitung. 
alten Sage von diesen Büchern besser am Platze gewesen wäre, als gerade 
jetzt. Darf ich Sie denn nicht daran zurückerinnern, daß Preußen im Jahre 
1866 bei Lösung des alten Bundes Vorschläge gemacht hat, die den Eigen- 
thümlichkeiten der einzelnen Staaten noch ein wesentlich freieres Feld ließen, 
als später die norddeutsche Bundesverfassung? Jene Propositionen hat man 
zurückgewiesen. Sie gingen ja viel zu weit! Sie entfernten sich von dem 
alten deutschen Bunde in ciner Weise, daß man sich in Süddeutschland mit 
diesen Propositionen unmöglich vertragen konnte! Aus dem, was ich in- 
zwischen erlebt habe — ich kann Ihnen dieses nicht mit Schwarz auf Weiß 
nachweisen, aber ich bitte Sie, glauben Sie es mir — habe ich die Ueber- 
zeugung geschöpft, daß, wenn wir vor der großen Krisis, und bevor die Na- 
tion und dasjenige, was die Nation that, so hoch stand, wie in der letzten 
Zeit, das Anerbieten gemacht hätten, uns mit dem norddeutschen Bunde ab- 
zufinden, daß, sage ich, die Bedingungen, welche damals zu erlangen gewesen 
wären, noch ein ganz anderes Bild geboten hätten, als der Vertrag, den 
wir Ihnen heute vorlegen. Jetzt sind wir wieder an dem Punkte, uns ent- 
scheiden zu müssen; wir haben uns wieder über Bedingungen schlüssig zu 
machen — weisen Sie sie nicht zurück! Zum zweiten Male werden auch 
diese Bedingungen von keinem Reichstage, von keiner Bundesregierung be- 
williget. Sagen Sie mir nicht, was man bisweilen hört: Wir wollen diese 
Bedingungen nicht; wir wollen, wenn denn doch Bayern zu Grunde gehen 
soll, mit Ehren zu Grunde gehen; sagen Sie mir nicht, wir wollen lieber 
annectirt sein. Ich betrachte diese Aeußerungen lediglich als vorläufige 
Acußerungen des Unmuthes über eine Lage, von der ich recht wohl fühle, 
daß sie für Mehrere in diesem Hause peinlich ist. Lassen Sie mich nun 
noch der Empfindungen der Großdeutschen gedenken. Ich thue dieses sehr 
gerne, meine Herren, weil ich bis in die neueste Zeit zu den Großdeutschen 
gehört habe und dem Herzen nach noch ein Großdeutscher bin. Den Schmerz 
der Herren, die ein Deutschland jetzt werden sehen gegen ihre Wünsche, begreife 
ich wohl. Ich wünschte auch, es wären alle deutschen Brüder in dem Bunde 
vereiniget, den wir zu schließen im Begriffe sind. Es sind nicht blos Sym- 
Fpathien allein, die mir diese Worte in den Mund legen, es sind sehr reale 
Erwägungen. Ich fühle sehr wohl, was es heißt, Deutschland mit einer 
Mehrzahl kleinerer Staaten und Einer Großmacht zu reconstruiren; ich er- 
kenne sehr wohl die Gefahren, die für die einzelnen Staaten in dieser Ver- 
bindung liegen könnten. Aber, meine Herren, mit der Politik der Groß- 
deutschen hat meines Erachtens das Jahr 1866 aufgeräumt. Das Gebiet 
der Thatsachen, auf dem man sich bei Handhabung der Politik bewegen 
muß, schließt die Politik der Großdeutschen, meiner Ansicht nach, für's Erste 
und bis vielleicht auch für diese wieder glücklichere Zeiten kommen, aus. 
Jetzt nützt es nichts mehr, meine Herren, der großdeutschen Idee nachzu- 
hängen. Einer Wittwe, meine Herren, steht die nie endende Trauer um 
den verlorenen Gatten, um das Ideal ihres Lebens, sehr wohl an; den Re-
	        
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