120 Historische Einleitung.
wurde, war es insbesondere das in seiner Gesammtheit versammelte K.
Baierische Staatsministerium, welches mit bestimmten Anschauungen und
Vorschlägen, die sodann Gegenstand allseitiger Besprechung und Erörterung
wurden, hervorgetreten ist. Als Leitfaden bei den Münchener Besprechungen
diente die norddeutsche Bundesverfassung, nachdem der norddeutsche Abgesandte
erklärt hatte, daß die K. Preußische Regierung noch keinen Grund gefunden
habe, die Frage in nähere Erwägung zu ziehen, ob mit der Gründung eines
allgemeinen deutschen Bundes eine Aenderung des zwischen den Staaten des
norddeutschen Bundes bestehenden Verfassungsrerhältnisses zu verbinden sei
daher er, der norddeutsche Abgesandte, eine solche Aenderung nicht vorauszu-
setzen habe. Mit einer Aufzeichnung über die Münchener Besprechungen, bei
welchen ich als Würtembergischer Bevellmächtigter selbstverständlich über den
militärischen Theil mich nicht näher außern konnte, reiste, ich glaube am
28. September, Minister Delbrück nach Berlin zurück, von wo er bald in
das Hauptquartier nach Frankreich berufen wurde. Die Münchener Be-
sprechungen hatten auf die Würtembergische Regierung den Eindruck ge-
macht, daß die schließliche Erreichung des Zieles auf annehmbaren Grund-
lagen gelingen werde. Es hat hierauf in einer offiziellen Kundgebung vom
9. Oktober das Ministerium über seinen Standpunkt in der deutschen Frage
sich ausgesprochen, und daß es das gethau, hat es, was ich einem Ausspruch
vom Bayerischen Ministertisch gegenüber zu bemerken habe, niemals bereut.
Die Verhandlungen längere Zeit hinauszuziehen, nachdem die ersten Schritte
gethan waren, schien in keiner Weise räthlich zu sein, und deßhalb hat die
Würtembergische Regierung einen Anlaß benutzt, nach Versailles die Er-
klärung gelangen zu lassen, daß ihr die baldige Einleitung wirklicher Unter-
handlungen erwünscht wäre. Wir gingen dabei von der Annahme aus, daß
sämmtliche süddeutsche Staaten werden eingeladen werden, Berollmächtigte
nach Versailles zu senden, was auch wirklich geschehen ist. Baiern allerdings
war anheimgegeben, entweder nach Versailles zu gehen, oder die Verhand-
lungen in München fortzusetzen. Die Württembergische Regierung ließ in
München ihren dringenden Wunsch erklären, daß Ersteres geschehe, und es
haben wirklich in den Tagen vom 19. bis 23. Oktober Bevollmächtigte von
Baiern, Würtemberg, Baden und Hessen den Weg nach Versailles gemacht.
Der sächsische Minister v. Friesen befand sich unter den Bevollmächtigten
des norddeutschen Bundes. In Versailles wurden gemäß dem Vorschlage
des Bundeskanzlers zunächst wieder Vorverhandlungen gepflogen und zwar
mit jedem Staate gesondert. Ueber die militärischen Verhältnisse besprachen
sich je die Kriegsminister; der Präsident des Bundeskanzleramtes und je die
Civilbevollmächtigten der süddeutschen Staaten verhandelten über den nicht-
militärischen Theil. Ueber die Verhandlungen Bayerns hörte man bald,
daß sie insbesondere in Absicht auf den milltärischen Theil ziemlich aussichtslos
sein sollten. Am 6. November fand beim Präsidenten des Bundeskanzleramtes
ein erster gemeinschaftlicher Zusammentritt der Civilbevollmächtigten von