146 1870. Verträge.
Verfassung gewonnene Einheit der Nation nach Außen in mehr als einer
wichtigen Hinsicht; sie schädigen zweitens das Gesammtbewußtsein des deutschen
Volkes in seinem inneren Rechtsleben und seiner nationalen Einheit; und
endlich gefährden sie die entwicklungsfähigen Keime der Norddeutschen Bun-
desrerfassung in Bezug auf die inneren Zustände, besonders was die noch
anzustrebenden Garantien der bürgerlichen Freiheiten betrifft, auf deren Spe-
zialitäten ich hier nicht eingehen kann. Nun, meine Herren, für alle die-
jenigen, die der Meinung sind: daß nur in der Hand in Hand mit Bildung
Gesittung und Wohlstand der Nation fortgehenden Entwickelung der staat-
lichen Zustände ihre Wohlfahrt gewahrt werden könnte, für alle die existirt
kaum die Möglichkeit, sich mit diesen Verträgen, wenigstens mit dem baieri-
schen, einverstanden zu erklären, und insofern und in diesem Sinne erkläre
ich diesen mit der ausgesprochenen Tendenz der deutschen Verfassung, wie fie
aus § 1 der Norddeutschen Bundesverfassung herüber genommen ist: „diese
Verfassung bezwecke: die Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volkes,“ für
absolut unverträglich! Ich komme mun speziell noch zu dem Verlältniß mit
Baiern, was ja in der ganzen Sache dominirt. Meine Herren, man kann
sich auf den Standpunkt stellen, dem Vertrage mit Südhessen, den Verträ-
gen mit Baden und Würtemberg seine Zustimmung zu geben: aber daß der
baierische Vertrag eine ganz besondere Stellung einnimmt, das hat ja schon
die Exposition des Herrn Präsidenten des Bundeskanzleramtes deutlich er-
geben. Ja, meine Herren, wenn man diesen Vertrag genau, eigentlich seinem
Wesen nach, als das bezeichnen will, was er ist, da komme ich auf das
Schlußprotokoll, wo ein neuer, sehr interessanter, staatsrechtlicher Begriff von
solchen Dingen in dem Auodrucke eines „Bündnißvertrages“ seine Stätte ge-
funden hat. Allerdings, die Stellung, die Bayern darin einnimmt, ist total
föderativ. Ich muß nun doch zunächst bestreiten, daß von Baiern gar nichts
Anderes zu erhalten gewesen wäre. Wir müssen zwar dem Herru Präsiden-
ten des Bundeskanzleramtes, der von den Dingen allein unterrichtet ist,
während wir gar keine Gelegenheit gehabt haben, damit befaßt zu werden,
zugestehen, man möge von der Stelle aus, welche allein die Dinge in An-
griff genommen hat, nichts andered haben erreichen können. Aber ist denn
damit Alles erschöpft? Soll mit diesen blos diplomatischen Vorgängen die
ganze Sache abgemacht sein? Ich habe schon bemerkt, die Verhandlungen
liefen wesentlich darauf hinaus, Baiern seine dynastische Sonderstellung zu
sichem — auf weiter nichts! Ja, ich meine denn aber doch, damit ist die
Sache nicht abgemacht. Bietet denn nur Baiern etwas? Bieten wir denn
Baiern nichts durch den Eintritt in die Gemeinschaft mit uns? Das steht
denn doch noch auf einem ganz andern Blatte! Und eben der von uns gestellte
Antrag bezeichnet ja den Weg, wie die Dinge in einen andern Gang zu
bringen seien, und wie noch andere Faktoren des staatlichen Lebens auch dazu
gelangen konnten, darin ein Wort mitzusprechen, als blos die diplomatischen
Vertreter der baierischen Regierung, die man bis jetzt allein gehört hat.