Generaldebatte. Pape. 149
des Reichstages durch das Bundesgesetz vom 21. Juli dieses Jahres abge-
seben, so find es zwei Bestimmungen der Bundesverfassung, welche zur völligen
Entkräftung der für den Antrag geltend gemachten Gründe dienen. Ge-
nannt find die Artikel 78 und 79 der Bundesverfassung. Der Artikel 78,
folgendergestalt lautend: Veränderungen der Verfassung erfolgen im Wege
der Gesetzgebung, jedoch ist zu denselben im Bundesrathe eine Mehrheit von
mwei Dritteln der rertretenden Stimmen erforderlich“, ergiebt klar und un-
widerleglich, daß es für die Beurtheilung der Vorlagen völlig gleichgültig ist,
ob Verfassungsänderungen proponirt sind oder nicht. Da, wie Ihnen bei
Mittheilung der Vorlagen ausdrücklich angekündigt wurde, die Vorlagen in
dem Bundesrath mit mehr als zwei Dritteln der Stimmen adoptirt sind, so
verlieren die in Rede stehenden Verfassungsändcrungen, so groß ihre Zahl
auch sein mag, alle und jede Bedeutung. Der Artikel 79, in seinem zweiten
renzuungsweise in Betracht kommenden Absatz, folgendergestalt lautend: „Der
Eintritt der süddeutschen Staaten oder eines derselben in den Bund erfolgt
auf den Vorschlag des Bundespräsidiums im Wege der Bundesgesetzgebung."
stelltt nicht minder unwiderleglich außer Zweifel, daß der Eintritt der süd-
deutschen Staaten in den Norddcutschen Bund und die Ausdehnung des
Letzteren auf jene Staaten im Wege der Bundesgesetzgebung zu erfolgen hat,
ase nicht als die Stiftung eines ucuen Bundes in der Weise und dem
Einne gelten darf, daß die Einberufung eines verfassungsgebenden Reichs-
lages ad hoc wie bei Stiftung des ersten Bundes erforderlich wäre. Die
ungeregten Komxetenzzweifel können auch durch das Zusammentreffen der
beiden außerordentlichen Verhältnisse, Verfassungsänderung und Erweiterung
des Bundes, einleuchtend keine Berechtigung gewinnen. Aber auch die bereits
ewäbnte Verlängerung der Legislaturperiode des Reichstages ist völlig uner-
beblich; die Unerheblichkeit ergiebt sich klar und überzeugend aus dem Bun-
desgesetze vom 21. Juli dieses Jahres, welches unter den schützenden und er-
schwerenden Formen einer Veränderung der Bundesverfassung zu Stande ge-
kemmen, der Bundesverfassung einverleibt ist und einen integrirenden Theil
derselben bildct. Meine Herren, durch das Heranziehen von politischen
Gründen und von Zweckmäßigkeitsgründen wird das feste und sichere Resultat
der furistischen Betrachtung in keiner Weise wankend. Da das Bundesgesetz
rem 21. Juli dieses Jahres alle Kompetenzen des Reichstages prolongirt hat,
da dem Gesetze jede Beschränkung fremd und unbekannt ist, so würde es ein
Verstoß gegen die erste aller Auslegungsregeln sein, jetzt eine solche Be-
schränkung anzunehmen. Das Gesetz muß furistisch betrachtet, auf alle von
seinen Bestimmungen ergriffenen Fälle angewendet werden, soweit es nicht
selbst eine Ausnahme bestimmt. Sodann aber die politischen und Zweck-
mäfigkeitsgründe anlangend, so mag es sein, daß eine ungemein wichtige
Umgestaltung der politischen Lage von Deutschland in Frage steht; allein,
meine Herren, auf der andern Seite darf doch nicht übersehen werden, daß
die zur Entscheidung stehende Regelung in dem Artikel 78 der Bundesver-