Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

152 1870. Vertrage. 
Brechen jenes Widerstandes der Dynastien, für etwas außerordentlich Ver- 
derbliches halte, und daß ich gerade das Scheitern der vielfachen unitarischen 
Bewegungen in Deutschland dem Umstande zuschreibe, daß man das Ele- 
ment des deutschen Fürstenthums hat bei Seite liegen lassen. Meine Herren, 
der Partikularismus hat in vielen Phasen der Geschichte gerade daraus seine 
Kraft bergeleitet, daß er sich als monarchische Anhänglichkeit an die einzelnen 
Dynastien charakterisirte, und daß alles Dasjenige, was gegen den Partiku- 
larismus gerichtet war, zugleich als Opposition gegen jene berechtigte An- 
hänglichkeit sich darstellt. Ich habe die Ueberzeugung, daß wir sicher und 
zweckmäßig das Werk der deutschen Staatseinheit nur dann weiterführen, 
wenn wir Schritt vor Schritt das deutsche Fürstentbum dafür gewinnen, sich 
dieser Entwickelung aus freier Entschließung anzuschließen, wenn wir dem- 
selben die Ueberzeugung beibringen, daß es die beste Sicherung der eigenen 
berechtigten Stellung in unserem Bunde finde. Ist das aber richtig, meine 
Herren, — und ich meine, darin ist die große Mehrheit des Haufes einig, 
— und ist es richtig, daß der Weg der Vertragschließung gegangen werden 
mußte, dann war die Frage nicht mehr eine solche theoretischer Postulate, 
sondern lautete erstens: wie weit geht die Geneigtheit der süddeutschen Für- 
sten, Zugeständnisse zu Gunsten der Staatseinheit zu machen?; und zweitens, 
wenn diese Gencigtheit bis zu einer gewissen Grenze geht: werden durch die 
zu gewährende Ausnahmestellung nicht die Grundresten des deutschen Bun- 
desstaatswesens erschüttert? Was die erste Frage betrifft, so habe ich die 
volle Ueberzeugung, daß Dassenige an Zugeständnissen für die Staatseinheit 
erreicht worden ist, was eben erreicht werden konnte, und wenn in manchen 
Kreisen, die in der letzten Zeit mit der Frage sich lebhaft beschäftigt haben, 
andere Meinungen ansgesprochen worden sind, so möge man mir verzeihen, 
wenn ich aunehme, daß Diejenigen, welche diese Verträge abgeschlossen haben, 
gemeint waren, im Sinne der Staatseinheit zu wirken, und die Fähigkeit 
besitzen, genau ermessen zu können, wie weit sie gehen konnten, ohne das 
ganze Werk zu gefährden. Ich meinerseits habe die Ueberzeugung — und 
ich habe sie an Ort und Stelle geschöpft, — daß das Marimum der er- 
reichbaren Zugeständnisse erreicht ist. Die Beantwortung dieser Frage ist 
aber in der That allein nicht Ausschlag gebend. Ich gebe den Herren, 
welche sich gegnerisch gegen die Verträge und namentlich gegen den Vertrag 
mit Baiern verhalten, zu, daß man sie ablehnen muß, wenn man der Mei- 
unng ist, daß durch dieselben die Grundlage des deutschen Bundesstaates er- 
schüttert würde. Diese Meinung aber theile ich nicht, meine Herren. In 
sedem Bundesstaate, und vor allen Dingen in Deutschland, besteht im Sinne 
der Staatlschkeit die Hauptaufgabe darin, die centrifugalen Kräfte mit den 
centripetalen Kräften in ein solches Verhältniß zu bringen, daß die centri- 
petalen Kräfte, die unitarischen Impulse im Stande sind, die ersteren in 
friedlichem Streite zu überwinden. Meine Herren, dieses Ziel zu sichern 
rermögen nach meinem Dafürhalten zwei große und grundlegende Staats-
	        
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