168 1870. Verträge.
Staaten keinen, welcher die jüngsten Verhandlungen derartig geführt, daß
ich fürchten müßte, er würde in Zukunft in tendenziösem Widerstreben gegen
eine naturgemäße Fortentwickelung des Bundes befangen sein. Ich darf
also aussprechen und ich glaube hierin die Ansicht der sehr großen Mehrheit
dieses Hohen Hauses zu treffen, daß die Verträge, wie sie als Abänderung
der Verfassung mit Baden, Hessen und Würtemberg abgeschlossen sind, als
ein Ganzes uns zufrieden stellen, und daß wir, wenn nur diese Verträge
uns vorlägen, mit großer Freude die gegenwärtigen Verhandlungen gepflogen
hätten und ergriffen wären von dem Aufschwunge, welcher bei dem Ausbau
deutscher Einheit jedes deutsche Gemüth ergreifen sollte. Anders aber ver-
hält es sich mit dem Vertrage, der zwischen Baiern und dem Norddeutschen
Bunde abgeschlossen worden ist. Durch die Schuld dieses Vertrages, sowohl
seiner Fassung wie seiner einzelnen Bestimmungen, wie auch des Geistes, in
welchem die Verhandlungen von den Vertretern Baierns geführt zu sein
scheinen, durch die Schuld dieses Vertrages wird bewirkt, daß wir viel kühler,
vielleicht zum Vortheil des Gegenstandes, aber doch kühl und mit weniger
Enthusiasmus an die Verhandlungen herantreten, als womit wir uns die
Verhandlungen über den Abschluß deutscher Einheit verbunden dachten. Ich
von mir bekenne, daß ich unmittelbar nach der Einsicht des Vertrages auf
das Heftigste erschrocken bin, und wahrscheinlich hat, wie mir, manchem An-
dern diese Lectüre eine schlaflose Nacht gekostet. (Sehr richtig! von mehreren
Seiten.) Und, meine Herren, wenn ich auf der anderen Seite wenigstens
ein großes Prinzip, eine große Idee des Partikularismus hätte hervortreten
sehen, so würde ich den Streit zwischen zwei sehr großen Ideen geachtet
haben, und ich würde mir tröstend sagen: es ist die Schuld Deutschlands,
daß ein Staat wie Baiern, sich neben dem mächtigsten Staate Preußen ent-
wickelt hat, und wir müssen die verjährte Schuld büßen. Aber dieser Geist
ist in den Verträgen nicht rertreten; ich finde nur, daß die Minister überall
für ihre besonderen Departements gesorgt haben. (Sehr richtig.) Ich finde,
daß die ministerielle Bureankratie mit ihren kleinlichen Gesichtspunkten, so-
wohl im Inhalt wie im Ausdruck, beim Abschluß wie bei der Redaktion die-
ses Vertrages maßgebend gewesen ist und keineswegs ein Kampf für eine
große Idee stattgefunden hat. Ich könnte nachweisen, daß diejenigen Rechte,
die man sich hat reserviren wollen, fast durchweg und derartig getheilt wor-
den sind, halb als Konzessionen an den Bund, und halb als Reservate für
die baierischen Minister, daß, sei es auf Grund von Zweifeln, sei es auf
Grund von Unzuträglichkeiten, bald eine andere Vereinbarung wird eintreten
müssen. Ich aber beklage auf das Tiefste, daß das Interesse des Bureaus
so weit vorgewaltet hat, daß zum Vortheil lediglich der Bureaukratie dem
Bunde vorenthalten ist, was ihm geziemt, daß Ungleichheiten ausbedungen
sind, welche das deutsche Volk auch dann um die volle Freude der Einigung
bringen, wenn der Vertrag mit Baiern angenommen werden sollte, und daß
das Land Baiern dennoch keinen Vortheil davon hat.