Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

172 1870. Verträge. 
Bundesrath. Es hat gemeinsam die Pflicht zum Schutz des Bundes und, 
worauf ich kein geringes Gewicht lege, diejenigen allgemeinen Zwecke des 
Bundes, welche in der Einführungsklausel ausgesprochen, und wie wir aus 
der (Erfahrung wissen, von der höchsten Bedeutung sind, sofern es sich darum 
handelt, gewisse Maßnahmen und Gesetze allgemeiner Natur der Erwägung 
des Bundes zu unterziehen. Endlich, meine Herren, hat Baiern allerdings 
mit uns gemeinsam, was ich mit dem Herrn Abgeordneten Windthorst gleich 
hoch veranschlage, die Ausdehnung der Kompetenz. (Heiterkeit.) Ich würde 
vielleicht meinem Interesse dienlich, doch der Wahrheit zuwider handeln, 
wenn ich die vielen gemeinsamen Beziehungen, die zwischen den übrigen 
Staaten des Bundes und Baiern geschaffen werden sollen, geringfügig ver- 
anschlagen möchte. Um so ernster und gewissenhafter gehe ich an die Prüfung 
der Mängel, mit denen leider der baierische Vertrag bis zur Entstellung 
behaftet ist. Unbegreiflich ist mir, weshalb die Gemeinsamkeit gerade an 
dem empfindlichsten Punkt hat getroffen werden können, nämlich in Beziehung 
auf Heimathwesen und Niederlassung; warum gerade für dieses tägliche Be- 
dürfniß des Verkehrs die Kompetenz ausgeschlossen werden soll. Angeführt 
wurde zur Rechtfertigung, daß in neuerer Zeit Baiern sich Sozialgesetze ge- 
geben und nicht gewünscht hat, diese neuen Gesetze schon nach kurzer 
Zeit außer Kraft zu setzen. Aber, war denn nicht dem Bunde zu 
vertrauen, daß er auf die eigenthümlichen Verhältnisse Baierns Rücksicht 
nehmen und zu solchen Gesetzen nicht früher drängen werde, als bis eine 
Nothwendigkeit dazu zwingt? War es deshalb nöthig, den wesentlichsten Punkt 
einer jeden Verfassung, nämlich die Einheit des deutschen Bürgerrechts, zu 
unterbrechen und solche Bestimmungen herzustellen, die nunmehr den deutschen 
Bürger vom baierischen Bürger trennen? Ich halte diesen Ausschluß der 
Kompetenz für sehr verderblich. Jede gesonderte Kompetenz ist mir zuwider, 
am meisten aber, wenn sie einen Theil des allgemeinen Bürgerrechts erfaßt 
und wenn der auggeschlossene Gegenstand nicht abgesondert irgendwo in einem 
Winkel liegt, sondern von weittragenden Folgen begleitet sein kann. Wir 
haben als Probe der Folgen, welche die baierische Regierung durch Inter- 
Fretation aus dem Kompetenzausschluß zu ihren Gunsten herleitet, in der 
Bestimmung des Schlußprotokolls, daß der Bund die polizeilichen Be- 
schränkungen der Verehelichung nicht reguliren dürfe, weil diese Befugniß mit 
dem Heimathsrechte zusammenhänge, während wir dieses Gesetz aus der 
Freizügigkeit abgeleitet haben. Mit einer so weit gehenden Auslegungskunst 
können wir in aller Zukunft nicht wissen, bei welchem Gegenstande der Ge- 
setzgebung der baierische Bevollmächtigte sich zu einem Kompetenzeinspruch 
erheben wird, indem er den Gegenstand mit der Heimathsgesetzgebung oder 
mit dem Niederlassungsrecht in Verbindung bringt. Ueberhaupt, meine 
Herren, begreife ich nicht, wie man die Freizügigkeit, über welche doch Baiern 
dem Bunde die Kompetenz zugesteht, von dem Heimathswesen und Nieder- 
lassungsrechte trennen kann. Ich berufe mich auf eine bedeutende Autorität
	        
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