Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

174 1870. Verträge. 
Kasse des baierischen Staates bezogen sind, sondern aus der Kasse des Bun- 
desstaates, denn dies wird in Zukunft Verfassungsrecht sein, daß der Bun- 
desstaat aus seiner Kasse, sei es im Wege direkter Zahlung, sei es im Wege 
der Ueberweisung, diejenigen Summen, welche Baiern braucht, um sseine 
Armee zu unterhalten, an Baiern auszahlt, und die baierische Militärver= 
waltung wirthschaftet fortan nicht mit eigenem, sondern sie wirthschaftet mit 
fremdem Gelde. Die Spezialdebatte wird wohl diesen Punkt noch vollstän- 
diger bis zur vollen Klarheit behandeln, da wir uns nicht der Gefahr aus- 
setzen dürfen, nun in scheinbarer Gemeinsamkeit über den Militäretat mit 
Baiern zu berathen, in welcher etwa nur festgestellt würde, wie viel der 
Bund zu leisten hat, da vielmehr die gemeinsame Berathung auch aktuell 
und wirksam ist in allen ihren Folgen für Baiern selbst. Unter dieser Vor- 
aussctzung werden wir in der Diskussion des Militäretats die Baiern nicht 
als fremde und unbetheiligte Gäste ansehen, so wenig wie der Bundesrath 
die baierischen Bevollmächtigten in seiner Mitte. Wenn dies aber der Fall 
ist, dann verstehe ich den Nutzen nicht, welchen das Land Baiern aus der 
selbstständigen Feststellung des Spezialetats im baierischen Landtage schöpft, 
obschon ich nicht leugnen kann, daß der baierische Minister allem Vermuthen 
nach sich ein sehr bequemes Hilfsmittel schafft. Wir begegnen also an einem der 
wichtigsten Orte der Verfassung solchen Verabredungen, welche die Einheit 
des Bundes beeinträchtigen, Baiern keinen Nutzen bringen, sondern nur der 
Bequemlichkeit des Departementschefs und seiner Selbstständigkeit dienen. 
In Beziehung auf die Kompetenzerweiterung wird zu meiner großen Freude 
durch die neuen Verträge mit Würtemberg, Baden und Hessen und auch 
durch den Vertrag mit Baiern ein Streit aus der Welt geschafft, den unter 
dem Namen Kompetenz-Kompetenz der Herr Abgeordnete Windthorst hier 
im Reichstage lebhaft zu vertreten pflegte und auch heute lebhaft vertreten 
hat. Denn sowohl aus dem Inhalte der Verfassung wie auch aus dem 
Umstande, daß thatsächlich in dem Artikel 4 ein neuer Gegenstand gemein- 
samer Gesetzgebung undo Aufsicht aufgenommen wird, geht eben hervor, daß 
alle Faktoren, welche bei dem gegenwärtigen Gesetze betheiligt sind, darin 
übereinstimmen, daß die Ausdehnung der Kompetenz lediglich eine Bundes- 
angelegenheit und keine Angelegenheit der Einzelstaaten ist. Wenn der Herr 
Abgeordnete Windthorst daraus folgert, daß die einzelnen Bundesstaaten 
hierdurch mediatisirt werden, so möchte ich wissen, ob er denn geglaubt hat, 
es werde die Einheit eines deutschen Bundesstaates gegründet und die ein- 
zelnen Staaten würden dem Bundesstaate gegenüber nicht mediatisirt. Aller 
dings werden diese mediatisirt, und dies ist das Wesen des Bundesstaates, 
daß die Glieder desselben nicht mehr volle Souveränetät besitzen, sondern 
diese Souveränität in der großen Gesammtheit wiederfinden. Es wird aller- 
dings jeder Fürst eines einzelnen Landes, nicht blos als Fürst seines Lan- 
des, sondern zugleich als deutscher Fürst sich fühlen müssen. (Sehr richtig.) 
Dies ist die Voraussetzung deutscher Einheit. Wir wollen nicht mehr voll-
	        
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