Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

176 1870. Verträge. 
dagegen in die andere Wagschale, daß diese Staaten das Gute, welches sie zu 
Hause erfahren, in die Mitte dieser Versammlung und des Bundesraths hin- 
eintragen und daß wir Nutzen ziehen werden von der Praxis, wie sie dort 
besteht und von den Garantien, welche in jenen Staaten gegeben find. Ich 
bin also für alle staatlichen Dinge stets geneigt, die Kompetenz des Bundes 
auszudehnen, und da Vereins= und Preßwesen im eminenten Sinne des 
Wortes zu den staatlichen Dingen gehört, so bin ich auch bereit, die Gesetz- 
gebung und Aufsicht für den Bund zu übernehmen. Ueber den Rechtsein- 
wand, daß der Norddeutsche Bund überhaupt nicht berechtigt sei, seine Kom- 
petenz auszudehnen, haben wir schon vielfach hier verhandelt, und ich würde 
heute die Zeit müßig zubringen, wenn ich nochmals auf die Entgegnungen 
zurückkommen wollte. Neu dagegen ist der andere Einwand, welchen der 
Herr Abgeordnete Windthorst nachdrücklich betont hat, daß wir kein deutscher 
Reichstag seien, der über eine neue Bundesrerfassung verhandeln könne. Der 
Artikel 78 der Bundesverfassung gebe das Recht, eine Ausdehnung der Kom- 
petenz herbeizuführen, oder auch die süddcutschen Staaten in den Bund auf- 
zunehmen, aber nicht einen neuen Bund zu schaffen. Der Herr Abgeordnete 
Windthorst ist uns aber die Antwort auf die Frage schuldig geblieben, worin 
denn die Neuheit dieses Bundes besteht. In dem Beitritt der süddeutschen 
Staaten besteht sie nicht, dafür haben wir Fürsorge getroffen im Artikel 79, 
wonach der Beitritt dieser Staaten im Wege der Gesetzgebung geregelt wer- 
den soll. Alle übrigen Abänderungen mögen in ihrer Wirkung noch so weit 
gehen, sie schließen sich an die Bundesverfassung an, und sie sind nichts 
weiter, als eine ausdehnende oder einschränkende Vorschrift der Bundesver- 
sassung. Meine Herren, ich habe das Vertrauen, daß die Entwickelung des 
Deutschen Bundes nicht abhängen wird von den einzelnen Artikeln, wie sie 
in die Verfassung hineingeschrieben sind, sondern von dem Gesammtgeiste, in 
welchem der Bund gehandhabt wird. Ich gebe gern zu — und dies ist es 
gerade, was ich tief beklage —, daß durch die Verträge, wie sie gegenwärtig 
abgeschlossen worden sind, eine Handhabe gegeben ist für partikularistische 
Staaten, die Entwickelung des Bundes zu hemmen. Aber wenn in der That 
die Vorbehalte und Abänderungen, wenn namentlich die erhöhte Mehrheit, 
die nothwendig ist zu Verfassungsänderungen, in diesem Sinne gemißbraucht 
werden sollten, dann wird Deutschland nicht zur Ruhe kommen, dann aller- 
dings wird mit derselben Zeit, mit welcher die Verfassung in Wirksamkeit 
tritt, unter Billigung des Volkes sofort eine Partei sich bilden, welche auf 
die Reform dieser Verfassung hinstreben wird an denjenigen Punkten, die 
hinderlich sind. Aeußerst bedenklich machen auch die Reserwatrechte. Es ist 
in dem Protokoll zu Versailles, welches die Bundesverfassung von Baden 
und Hessen begleitet, der Satz aufgestellt, daß Rechte, welche einem Bundes- 
staate im Verhältniß zu dem andern eingeräumt worden sind, nur unter Zu- 
stimmung dieses Bundesstaates abgeändert werden können. In Beziehung 
nun auf diese Reservatrechte ist die Fortentwickelung des Bundes völlig un-
	        
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