Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Generaldebatte. Lasker. 177 
möglich, ohne Zustimmnng der betreffenden Staaten. Deshalb wünsche ich 
zunächst Aufklärung darüber, in welcher Weise die Zustimmung dieser Staaten 
gedacht wird. Ich glaube dieselbe so auffassen zu müssen, daß in dem Bun- 
derathe die Zustimmung der Stimme desjenigen Staates nothwendig ist, 
velcher ein Reservatrecht aufgeben soll, ein Zurückgehen auf die Landtage 
de berechtigten Staaten nicht erforderlich ist. Darauf lege ich Gewicht, daß 
die gesammte Reformentwickelung innerhalb des Bundes selbst sich vollziehe 
und nicht abhängig gemacht werde von einem Willen, welcher außerhalb des 
Bundes steht. Sodann bin ich ferner bedenklich über den allgemeinen Aus- 
druck: „Rechte einzelner Bundesstaaten in deren Verhältniß zur Gesammt- 
heit“; denn leicht zu befürchten ist der Streit über die Auslegung dieser 
Vorte, ich möchte doppelt gern jeden Streit über diesen Punkt vermeiden, 
reil er gefährlich ist und nicht leicht abwendbar. Wir werden in der Spe- 
zialdiskussion zu überlegen haben, ob es nicht den Versuch lohnt, einzeln 
aufzuzählen, welche Rechte unter die Garantie dieses Einspruchsrechtes gestellt 
werden. Meine Herren! ich komme zu dem präsjudiziellen Einwand, den 
rem politischen Gesichtspunkte der Herr Abgeordnete Schulze gegen den Ab- 
schuß der Verträge in diesem Reichstage begründet hat. Er hat nicht die 
uchtliche Kompetenz des Reichstages bestritten, er hielt es aber für rath- 
samer, einem vollständig neu gewählten Reichstage die Verfassung zur Be- 
wathung vorzulegen. Ich bekenne, daß ich von vornherein dieser Ansicht, wo 
ich gekonnt, entgegengetreten bin aus Sorge dafür, damit dies Einigungs- 
werk nicht an formalen Hindernissen scheitere. Wir wollen die Stärkung 
des einheitlichen Sinnes nicht vermissen, welche gegenwärtig das ganze Volk 
aus den Kriegsereignissen schöpfte. Würde ich die Sicherheit gehabt, oder 
guch nur die Möglichkeit vor mir gesehen haben, daß die übrigen Staaten 
sich entschließen würden, ebenso wie der Norddeutsche Bund, eine freie Voll= 
macht einem zukünftigen Parlament auszustellen, um eine Verfassung zu ver- 
einbaren, so würde die Gefahr des Scheiterns vielleicht noch vermindert ge- 
wesen sein. Aber es stand fest durch Zeugnisse, daß einc solche Vollmacht 
ren den Staaten nicht zu erlangen gewesen wäre, und wenn wir hingewiesen 
sind auf das Beispiel von 1867, — wie war es denn damals? Es kam ein 
kenstituirender Reichstag zu Stande, der diesen Namen führte, aber in 
Bahrheit nur ein berathendes Votum hatte, denn es mußte die hier verein- 
barte Verfassung allen einzelnen Staaten vorgelegt werden, und sie kamen 
so zu Stande wie die gewöhnlichen Landesgesetze zu Stande zu kommen 
Fpflegen. Dieses hätte vielleicht jetzt wiederholt werden können, und am ersten 
mgestimmt hätten die Partikularisten vom reinsten Wasser, die jetzt sehr gern 
ihre Zustimmung zu einem allgemeinen Wahlgesetz gegeben, die dann im 
Reichstag, was immer zu Gunsten der Einheit vorgelegt worden wäre, von 
ihrem Standpunkte aus disputirt — und Zeit gewonnen hätten, ihre Agi- 
tationen zu betreiben und in den Einzellandtagen später das Einigungswerk 
zu Falle zu bringen, sobald die Fluth der nationalen Begeisterung nicht mehr 
Naterialien I11. 12
	        
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