Full text: Materialien der Deutschen Reichs-Verfassung. Band III (3)

Generaldebatte. Kryger. 183 
daß man einig darüber sei, daß der Deutsche Vund einer Stärkung im feé- 
deratiren Sinne bedürfe, accextire ich bestens und werde mir erlauben, vor- 
kommenden Falls wieder daran zu crinnern. (Stimme: Es ist gar nicht ge- 
sagt; wer hat es gesagt?') Meinc Herren! Der Mensch ist am größten, 
wenn er an seinem Schicksale arbeitet, die Nation aber am herrlichsten, wenn 
sie draußen ihre Ebre gegen den Feind vertheidigt und wenn sie daheim an 
ibrer Verfassung arbeitet. Arbeiten wir weiter, der Arbeit giebt es noch 
riele. (Bravo!) 
Kryger (Hadersleben)“): Zu meinem Bedauern habe ich in der Ein- 
leiungerede des Herrn Präsidenten des Bundeskanzler-Amts diesenige Vo#ll= 
ständigkeit vermißt, welche ein Politiker zu erwarten berechtigt ist, sobald es 
sich um den Sinn und die Vollziehung von Verträgen handelt. Die Ver- 
fassung Deutschlands soll auf dem Wege neuer Verträge einheitlich vollendet 
werden; da scheint es mir rathsam zu sein, daß die bestehenden Verträge, 
seweit sie sich auf diese Sache erstrecken, vor Allem geprüft werden. Giebt 
es rertragsmäßige Verpflichtungen, welche gleichzeitig mit der Konstituirung 
Dautchlands berücksichtigt werden müssen? Giebt es im Norden Deutsch- 
lands eine Aufgabe, welche ins Leben treten muß, wenn der neue Bund auf 
eine Dauer rechnen soll! Der Abgeordnete Herr Windthorst hat gestern be- 
merkt, daß bei dieser Einigung Deutschlands möglich doch der Prager Frie- 
densartikel (V) zu Rathe gezogen werden müsse. Es ist meine Sache nicht 
au untersuchen, wie weit die kaiserlich österreichische Regierung sich aufgefor- 
dert fühlen könne, sich unter Berufung auf den Prager Frieden in die 
keutschen Einigungsarbeiten einzumischen. Ich will nur anführen, daß es 
im Prager Frieden außer der deutschen Einheitsfrage einen Punkt giebt, der 
auch ohne Oesterreichs Initiative den deutschen Regierungen stets von selber 
im Gedächtniß bleiben muß. Der deutsche nationale Staat kann nicht her- 
gestellt werden ohne Gerechtigkeit gegen andere Nationalitäten. Dem deutschen 
Velke eine Verfassung geben, müßte also gleichbedeutend sein mit der Heilig- 
baliung des Artikels V des Prager Friedens und sonach mit der definitiven 
Gestaltung der Verhältnisse der Dänen in Nordschleswig. Wie aus den 
Verlagen, mit welchen der Reichstag sich heute beschäftigt, hervorgeht, han- 
delt es sich um eine solche vertragsmäßige Durchführung des deutschen na- 
tionalen Gedankens, vermittels deren der Norddeutsche Bund in einen Deutschen 
umgestaltet wird. Daß der Hohe Reichstag hierbei einen gewissen Eifer ent- 
wickelt, daß er die betreffende Arbeit rasch herzustellen beflissen ist, kann ich 
wohl verstehen. Die nationale Partei in Deutschland hat seit mehreren 
Jahren auf die Vervollständigung des Bundes gewartect, sie hat keinen sehn- 
lichern Wunsch gekannt, als daß die Ueberschreitung der Mainlinie, die 
Verbindung der getrennten Glieder bald erfolge. Und indem die ersten 
Schritte zur Ueberwindung der Mainlinie geschehen, ist es natürlich genug, 
  
6) St. B. S. 89 I. u. Hiermit begann die 7. Sitzung vom 6. December 1870.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.